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Ein Vorleser, acht Texte, drei GewinnerInnen – und ein Stück Selbsterkenntnis für alle. Die Leseveranstaltung "Konzept*Feuerpudel".

© Aline Reinsbach

Anonyme Lesereihe in Berlin: Was ist das "Konzept*Feuerpudel"?

Ein Ort für Autoren von experimentellen Texten, für Underdogs und Rumtreiber - und für Schüchterne. "Konzept*Feuerpudel" ist die Bühne Berlins, bei der Texte anonym vor einem Publikum gelesen werden.

Berlin gilt als die Hauptstadt der Lesebühnen und Poetry-Slams. Das Angebot an Literaturveranstaltungen ist groß. Neben den seit Jahren etablierten Formaten gibt es auch alternative Bühnen, die etwas andere Konzepte präsentieren. Seit 2010 lädt die Vorlesebühne Konzept*Feuerpudel Autorinnen und Autoren ein - und zwar nicht, um zu lesen, sondern, um ihre Geschichten vorlesen zu lassen. Die anonym eingesandten Texte werden von Alexander Lehnert, der sich als Bühnenfigur Diether Kabow nennt, vorgetragen – jeden Monat an einem anderen Ort im Großraum Berlin. Mal in einer Bar, mal in einem Jugendclub, mal in einem Kino. Die Termine und Orte werden unter anderem bei gleiswildnis.de bekannt gegeben.

Die Urheberinnen und Urheber der Texte sitzen im Publikum und nur bei den ersten drei Texten wird offenbart, wer der Urheber ist. Welche Texte gewinnen, entscheidet das Publikum durch die Vergabe von Schulnoten. Die „Verlierer“ bleiben unerkannt. Schreibende Menschen haben so die Möglichkeit, ihre Texte unter die Leute zu bringen, ohne selber zu performen. "Die Wirkung des Textes hängt dann nicht mehr von den Autorinnen und Autoren ab", sagt Lehnert, der schon als Tankwart, Sprecher auf einem Ausflugdampfer gearbeitet und Schundromane geschrieben hat - deren Titel er ebenso wenig nennen möchte wie sein Alter. Er hat die Veranstaltung zusammen mit Josefine Marwehe, Antonia Muschner und Angie Volk gegründet.

Prosa, Lyrik, witzig, schmutzig, politisch

Bei den Texten, die er auf seinem anonymen Textwettbewerb jeden Monat vorträgt, handelt es sich mal um Prosa, mal um Lyrik, mal witzig, mal schmutzig, mal politisch – Abwechslung ist auf jeden Fall angesagt. Manche Texte testen auch Grenzen aus. Kabow liest alles vor, egal wie ekelig oder peinlich. Nur Rassismus, verletzende Inhalte und Hassbotschaften lässt er weg. Bis zu 20 Einsendungen erhält er pro Monat, von denen er acht per Zufallsprinzip aussucht und vorträgt. Er schaut sich die Texte vor der Lesung zwar an, aber das Los entscheidet, welche gelesen werden.

„Die Texte entwickeln ein Eigenleben und die Autorinnen und Autoren bekommen neue Perspektiven auf das eigene kreative Schaffen“, sagt Lehnert. Die eingesandten Geschichten kommen mal von Anfängern und mal von Autorinnen und Autoren, die ihre Arbeiten schon bei Verlagen untergebracht haben, altersmäßig von 16 bis schätzungsweise 70 Jahren. Die Texte weichen oft von der Norm ab, würden auf Slams untergehen oder wären für eine Literaturlesung zu Hip. Auf klassischen Lesebühnen haben experimentelle Arbeiten kaum einen Platz und Lesereihen und Festivals entscheiden oft nach Lebenslauf.

So mancher Schreiber möchte den Schleier der Anonymität trotz Gewinnertext nicht lüften oder hat es irgendwie nicht zur Lesung geschafft – das kann nicht immer gesagt werden und vieles bleibt im Dunkeln. „Wir machen das, weil wir tendenziell allen, die Schreiben, die Möglichkeit geben wollen, damit mal rauszugehen und anonym mit dem Publikum zu flirten, sich Lob und Kritik abzuholen und ein bisschen was dazu zu lernen.“ Viele gerade junge Menschen würden sich nicht trauen, einen Text vor Publikum vorzutragen und bei einem Poetry-Slam ginge es mitunter recht heftig zur Sache, erzählt Lehnert. Aber es gäbe so viele schüchterne Autorinnen und Autoren, die faszinierende und gute Texte verfassen könnten. Daher heißt die Veranstaltung „Konzept*Feuerpudel“. „Dem zierlichen Tierchen traut man nicht zwangsläufig zu, dass es durch einen Feuerreifen springt – wenn der sich aber mal ein Herz fasst, dann...!“

Nächster "Feurpudel" am 7. März

Die nächste Lesung ist am 7. März 2017 im Haus der Sinne in der Ystader Straße 10 im Prenzlauer Berg. Es geht um 8 los, Einlass ist ab 19:30 Uhr. Der Eintritt ist frei, um eine Spende wird gebeten.

Und wer in Zukunft einen Text einreichen möchte, kann diesen einfach an feuerpudel@gleiswildnis.de schicken. Die Arbeiten sollen von der Autorin oder dem Autor selbst verfasst sein und eine Lesezeit von fünf Minuten nicht übersteigen. Der Ort der nächsten Bühne wird noch unter gleiswildnis.de bekanntgegeben, ebenso wie das genaue Datum. Texteinsendungen werden ab sofort und das ganze Jahr über entgegengenommen.

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