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Kultur: Anregung statt Aufregung

Baulärm gehört für die geistig behinderten Schüler der Helene-Haeusler-Schule und ihre Lehrer seit Jahren zum Alltag. Doch sie nehmen ihn gerne in Kauf.

Baulärm gehört für die geistig behinderten Schüler der Helene-Haeusler-Schule und ihre Lehrer seit Jahren zum Alltag. Doch sie nehmen ihn gerne in Kauf. Seit Sommer 2001 können sie ihren Neubau nutzen, und im Sommer dieses Jahres wird auch der Umstrukturierung des Altbaus abgeschlossen sein. Dann können in der Helene-Haeusler-Schule 140 Schüler in Gruppen von jeweils sechs bis acht Kindern betreut werden.

Als 1991 auch im Ostteil Berlins die Schulpflicht für geistig behinderte Kinder eingeführt wurde, bezogen die Schüler einen DDR-Plattenbau in der Mendelsohnstraße in Prenzlauer Berg. Als Typenschule errichtet, entsprach das Gebäude nicht im mindesten den besonderen Anforderungen und musste für die neue Nutzung provisorisch hergerichtet werden. Dennoch fehlte manches: etwa ein Aufzug für Rollstuhlfahrer.

1994 gewann das Planungsbüro Numrich & Albrecht den Wettbewerb für Umbau und Erweiterung des Komplexes. Schon im Vorfeld hatte sich die Direktorin der Schule, Monika Küster, für ein angemessenes Programm an Therapie- und Arbeitsräumen eingesetzt. Entsprechend eng war ihre Zusammenarbeit mit den Architekten, die zuvor eine Turnhalle für Blinde gebaut hatten. Deren Schul-Entwurf zeichnet sich durch seine städtebauliche Qualität und eine zurückhaltende Funktionalität im Inneren aus. Die Architekten erweiterten den alten Plattenbau durch einen diagonal gestellten Riegel, an den sich weitere Bauteile anfügen: ein runder Baukörper für Therapiebad und Aula sowie ein Block mit Therapieräumen und einer Turnhalle. Den Abschluss des mit rotem Klinker verkleideten Riegels bildet der freistehende Kubus der Hausmeisterwohnung, der lediglich durch eine stählerne Brücke an den Gesamtkomplex angebunden wird. Durch die Aufteilung des Raumprogramms in Baukörper mit unterschiedlichen geometrischen Grundformen verleihen die Architekten der Schule eine Wirkung, die überhaupt nichts Strenges, Autoritäres hat. Zugleich entsteht ein angenehmer Kontrast zur Gleichförmigkeit der umgebenden Plattenbau-Siedlung. Durch die vielgliedrige Grundrissfigur sind zudem kleinere Hofbereiche entstanden, die von den Klassen- und Therapieräumen aus direkt erreicht werden.

Dem prägnanten Grundriss der Schule steht im Inneren eine bemerkenswerte Zurückhaltung gegenüber. So verzichtet das dezente Farbkonzept auf dominante, wuchtige Tönungen. Die Flure des Werkstättenbereichs werden darüber hinaus durch ein gelbes Ziegelmauerwerk sowie graue Betonstürze über den Türen vom übrigen Bestand abgehoben. Die funktionalen Fachräume für Schreinerarbeiten, eine Keramikwerkstatt sowie ein Nähraum öffnen sich mit großen Fenstern nach außen. Einbaumöbel aus hellem Holz sorgen für optimale Raumausnutzung.

Wie wichtig die Begleitung der Planung durch die Direktorin war, zeigt sich auch an den Details, wie etwa den Deckenhaken in Räumen für die Krankengymnastik, die bereits von Anfang an eingeplant wurden und nicht erst nachgerüstet werden mussten. Der runde Baukörper, der sich in den Backsteinriegel schiebt, beherbergt im Erdgeschoss das Therapiebad, das auch über eine unentbehrliche Hubbühne verfügt. Sie erst ermöglicht den älteren Schülern, die nicht von ihren Lehrern in das Wasser gehoben werden können, die Benutzung des Bades. Oberhalb des Therapiebades schließt sich die runde Aula an. Mit ihr ist ein sympathisch zurückhaltender Raum entstanden, der im unteren Bereich eine helle Holzverkleidung zeigt, über der sich Akustikputz anschließt. Neben den Oberlichtern sorgt das Band eines Panoramafensters für viel Tageslicht.

Die Turnhalle hebt sich bereits von außen durch eine grün vorpatinierte Kupferverkleidung und ihre Shed-Dächer vom übrigen Bestand ab. Durch die zahlreichen Hängeeinrichtungen kann in der Halle eine Vielzahl von Geräten aufgebaut werden, die für die therapeutische Arbeit notwendig sind. Und die hellgrauen Sichtbetonträger der Decke fügen sich mit den lindgrünen Prellwänden zu einem harmonischen Gesamteindruck. Ergänzt wird das umfangreiche Raumprogramm durch eine Probewohnung und eine Lehrküche. In einem weiteren Raum wurden zudem verschiedene Lichteffekte aufgebaut. Sie sollen helfen, den schwerstbehinderten Kindern eine angenehm entspannte Situation zu schaffen.

Zusätzlich zu ihren Aufgaben als Schule mit Hortbetreuung erfüllt die Helene-Haeusler-Schule auch die Rolle eines Sonderpädagogischen Förderzentrums, so dass die mühelos zu erreichende Aula und das Therapiebad außerhalb der Schulzeiten auch anderen Behindertengruppen zur Verfügung stehen. Mit der Schule haben Numrich & Albrecht ein funktionales und trotzdem ansprechendes Gebäude geschaffen, das sich an den Anforderungen und Bedürfnissen der behinderten Kinder orientiert und zugleich einen wirkungsvollen Akzent im Stadtraum setzt.

Jürgen Tietz

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