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Kultur: Anschnallen!

AUSSER KONKURRENZ „Fireflies in the Garden“

Der Autor Dennis Lee hat seinen ersten Spielfilm gedreht. Zur Risikominimierung besetzte er lauter große Namen und machte Julia Roberts erstmals zur Mutter eines erwachsenen Sohnes. Einen der bestürzendsten Momente hat „Fireflies in the Garden“ in dem Augenblick, als wir sie vor einem Unfall kurz von der Seite sehen, und es ist nicht mehr das Julia-Roberts-Profil, sondern das irgendeiner mittelalten Frau. Aber schon im nächsten Bild ist wieder alles gut. Willem Dafoe sieht dagegen aus wie immer, Emily Watson fast wie immer und Ryan Reynolds und Carrie-Ann Moss spielen auch mit.

Natürlich handelt die Geschichte des Autors Dennis Lee von anderen Autoren. Wir verstehen bald, dass Familien, in denen jemand Bücher schreibt, besonders gefährdet sind. „Vater hat Stress gehabt in letzter Zeit, aber ich denke, jetzt, wo das Buch fertig ist, wird vieles besser!“, verspricht Mutter Roberts ihrem damals noch kleinen Sohn. Vielleicht wird Michael nun nicht mehr stundenlang seine Brille suchen müssen, denn es war – sagt Vater Dafoe – eine sehr teure Brille, und wer auf Dinge nicht aufpassen kann, der hat sie nicht verdient. Und wer wie Michael vor den Uni-Kollegen des Vaters ein schlecht geklautes Gedicht vorträgt, weiß, dass der Tag für ihn noch sehr lang werden kann. Willem Dafoe spielt ohne Überanstrengung einen der denkbar anstrengendsten Väter. Er ist nicht eigentlich böse, er verlangt nur von seiner Familie, was er von seinen Büchern auch verlangt: dass sie perfekt sind.

Vielleicht ist die Herrschaft im Namen der Perfektion die unbarmherzigste aller Regentschaften. Es regnet fast immer in Lees Film, das passt gut zu der Atmosphäre einer gewissen Aussichtslosigkeit. „Fireflies in the Garden“ ist ein punktgenauer, konventionell gemachter Film. Dagegen ist nichts zu sagen, denn schließlich ist das Familienleben auch eine überaus konventionelle Angelegenheit. Nur reißt es uns eben nie hinein in diesen circulus vitiosus, Familienleben genannt, man folgt mit der Anteilnahme, mit der man alte Fotoalben betrachtet.

„Szenen einer Ehe“ werden das nicht. Auch deshalb nicht, weil die Ehefrau bald nicht mehr da ist: Jeder Ehemann kann verlangen, dass eine Frau fertig ist, wenn der Mann losfahren will. Hätte sie sich angeschnallt und sich nicht noch geschminkt im Auto, hätte sie den Unfall überleben können. So wird das erneute Familienzusammentreffen bei ihrem Begräbnis zum Hauptschauplatz des Films. Sohn Michael ist nun erwachsen, und – er hat auch ein Buch. Es heißt „Fireflies in the Garden“, und da steht alles drin, was man über diese Familie wissen sollte. Dies ist einer jener Filme, die man sich von Anfang an mit einem guten Ende vorstellt. Oder wenigstens mit einer guten Nachricht – und sie kommt tatsächlich: Wie sehr Menschen sich verschonen können. Selbst wenn schon alles zu spät ist. Kerstin Decker

Heute 15 Uhr und 21 Uhr (Urania)

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