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Kultur: Antisemitismus: Brüder im Ungeist

Das Geständnis der Täter von Düsseldorf hat der Angst vor einer unheimlichen Allianz neue Nahrung gegeben: Es müsse mit einer Bündelung rechtsradikaler und fanatischer nahöstlicher Kräfte gerechnet werden, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, nach der Aufklärung des Brandanschlags auf die Düsseldorfer Synagoge. Die Tatsache, dass der Anschlag vor gut neun Wochen eben nicht von deutschen Rechtsextremisten, sondern von zwei arabischstämmigen Männern begangen wurde, zeige, dass es in Deutschland "zu einer Zusammenarbeit zwischen deutschen Rechtsradikalen und arabischen Terroristen kommen könnte", befürchtet auch Spiegels Stellvertreter Michel Friedman.

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Das Geständnis der Täter von Düsseldorf hat der Angst vor einer unheimlichen Allianz neue Nahrung gegeben: Es müsse mit einer Bündelung rechtsradikaler und fanatischer nahöstlicher Kräfte gerechnet werden, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, nach der Aufklärung des Brandanschlags auf die Düsseldorfer Synagoge. Die Tatsache, dass der Anschlag vor gut neun Wochen eben nicht von deutschen Rechtsextremisten, sondern von zwei arabischstämmigen Männern begangen wurde, zeige, dass es in Deutschland "zu einer Zusammenarbeit zwischen deutschen Rechtsradikalen und arabischen Terroristen kommen könnte", befürchtet auch Spiegels Stellvertreter Michel Friedman. Und aus Sicht der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sei eine Allianz zwischen Rechtsextremisten und radikalen Islamisten angesichts der Ereignisse in Düsseldorf denkbar.

Düsseldorf als Ausdruck einer antisemitischen Internationale in der Bundesrepublik? Ideologische Berührungspunkte zwischen radikalen Islamisten und deutschen Neonazis gibt es durchaus. So den gemeinsamen Hass auf Juden und Verschwörungsvorwürfe gegen Israel und die USA. Aber reicht das als gemeinsamer Nenner, um Rechtsextremisten und radikalen Islamisten zusammenzubringen? Der Islamismus-Experte des Verfassungsschutzes Baden-Württemberg, Herbert Müller, verneint. Es gebe zwar Überschneidungen in der Propaganda und im Hass auf Israel. Tatsächliche Verflechtungen sehe der Verfassungsschutz aber nicht, betont Müller. So gebe es nach Erkenntnissen der Staatsschützer "keine Strukturen, die einen gemeinsamen Weg oder eine gemeinsame Front" belegen könnten. "Ich beobachte zwar einzelne Begegnungen zwischen Größen des islamistischen Milieus mit Einzelnen aus der rechtsextremen Szene. Aber mehr ist da nicht."

Dennoch hat es in den vergangenen Jahren immer wieder Hinweise darauf gegeben, dass einzelne Führungspersonen der rechten Szene durchaus über strategische Allianzen mit arabischen Antisemiten nachdenken. So verhandelten 1990 Neonazis aus dem Umfeld des Szene-Anführers Michael Kühnen mit der irakischen Botschaft in Bonn über die Teilnahme einer Söldnertruppe deutscher Rechtsextremisten am bevorstehenden Golfkrieg. Die Gruppe bot an, antijüdische und antiisraelische Aktivitäten von Arabern zu unterstützen. Eine Einigung kam damals jedoch nicht zustande, angeblich aus finanziellen Gründen.

Ein anderes Beispiel für Berührungspunkte: Vor vier Jahren tauchte nach dem Überfall einer Horde Skinheads auf einen libanesischen Imbiss in Fürstenwalde ein ehemaliger Kroatien-Söldner aus Berlin in der brandenburgischen Stadt auf. Der Berliner Neonazi, später auch NPD-Funktionär, versuchte der rechten Szene in Fürstenwalde klar zu machen, dass Araber keine Angriffsziele sein dürfen - schließlich habe man einen gemeinsamen Feind, den Zionismus. Der Ex-Söldner kann sich aber nicht durchsetzen. Die örtliche Szene bleibt bei der Parole "Fürstenwalde dönerfrei".

Hans-Günter Eisenecker, stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD, erläuterte 1998 bei einem Gespräch mit dem Tagesspiegel seine Vision einer antisemitischen Internationale: Eine weltweite Allianz gegen den liberalistischen Kapitalismus, wie er von den USA und Israel verkörpert wird. Als potenzielle Bündnispartner nannte Eisenecker schon damals islamistische Bewegungen, russische Nationalisten, das Regime von Nordkorea und Castros Kuba. In Teilen der rechtsextremen Partei stießen Eiseneckers Äußerungen, die er öffentlich wiederholte, aber auf wenig Gegenliebe.

Daneben gab es gab immer wieder Kontakte türkischer Rechtsextremisten (Graue Wölfe) zur Wiking-Jugend, die 1994 vom Bundesinnenminister verboten wurde. Darüber hinaus liegen den Sicherheitsbehörden jedoch keine Erkenntnisse über Kontakte zwischen deutschen Neonazis und türkischen Rechten oder radikalen Islamisten vor. Als wesentliches Hindernis gilt die Unvereinbarkeit der jeweiligen Anhängerschaften: Während rechtsextreme Anführer wie Eisenecker von der weltumspannenden Allianz autoritärer, anti-demokratischer und antiliberaler Kräfte träumen, wollen die Anhänger der rechtsextremer Gruppen primär alle Ausländer und ausländisch aussehenden Menschen aus Deutschland vertreiben. Als internationales Thema ist für sie nur der "Kampf der weißen Rasse" populär. Araber werden dieser Spezies natürlich nicht zugerechnet.

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