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Kultur: Apfelgrün, Zitronengelb und namenloses Weiß „Avantgarde für den Alltag“: Das Bröhan Museum erinnert an drei jüdische Keramikerinnen

Allein die Geschichte von Margarete Heymann-Marks wäre eine Einzelausstellung wert, so selbstbewusst hat sie ihr Leben gemeistert, so sehr entspricht sie dem Typ Frau der zwanziger Jahre. 1923 gründet die Keramikerin mit ihrem Mann Gustav Loebenstein die Manufaktur „Haël“ in Marwitz.

Allein die Geschichte von Margarete Heymann-Marks wäre eine Einzelausstellung wert, so selbstbewusst hat sie ihr Leben gemeistert, so sehr entspricht sie dem Typ Frau der zwanziger Jahre. 1923 gründet die Keramikerin mit ihrem Mann Gustav Loebenstein die Manufaktur „Haël“ in Marwitz. Das Paar bevorzugt jedoch das urbane Berlin vor dem Leben auf dem brandenburgischen Land, es tauscht sich mit anderen Künstlern und Protagonisten der goldenen Jahre aus. 1928 ist die Keramikerin gezwungen, den Betrieb alleine weiterzuführen, weil ihr Mann bei einem Unfall stirbt. Die Künstlerin schifft die Werkstatt und ihre 90 Angestellten an den Klippen der Weltwirtschaftskrise vorbei, die Produkte wurden sogar nach Übersee importiert.

Doch dann kommt das Ende. 1935 stempeln die Nationalsozialisten in der Zeitschrift „Der Angriff“ Heymanns experimentelles Design als entartet ab. Es habe jene Schönheit verloren, „die den deutschen Landschaften und den deutschen Menschen entspricht“. Um der Enteignung zu entgehen, verkauft Heymann ihr Lebenswerk unter Wert. Die junge, heute namhafte Hedwig Bollhagen übernimmt die Manufaktur.

Margarete Heymann ist nicht die einzige jüdische Keramikerin, deren künstlerisches Schaffen in der NS-Zeit jäh abbrach. Und so widmet sich das Bröhan Museum in seiner Ausstellung „Avantgarde für den Alltag“ außerdem auch Marguerite Friedlaender-Wildenhain und Eva Stricker-Zeisel. Die Schau reiht sich in das Berliner Themenjahr „Zerstörte Vielfalt“ und erzählt sowohl von den Lebensgeschichten als auch von der künstlerischen Bedeutung der Gestalterinnen.

In der Weimarer Republik war es per Verfassung Frauen erstmals erlaubt, Kunstakademien zu besuchen. Friedlaender, Stricker und Heymann gingen zielsicher ihre Wege, vereinten praktische Ansprüche an Gebrauchsgegenstände mit einem modernen Gestaltungswillen. Im obersten Stockwerk des Charlottenburger Museums sind etwa 180 Exponate ausgestellt, Mokkatässchen, Likör-Karaffen, Teekannen, Blumenvasen, aber auch Zeitungsausschnitte und Briefe werden präsentiert.

So schreibt die in Budapest geborene Eva Stricker 1932, sie wolle Dinge gestalten, die sympathisch sind: „Kannen, die nicht tropfen. Deckel, auf die man sich verlassen kann. Teetassen, die zu halten ein Vergnügen sind.“ Ihre selbst auferlegte Funktionalität kombiniert sie für die württembergische Schramberger Majolika-Fabrik mit bunten Dekors – Apfelgrün, Zitronengelb und Ringel in Orange.

Ganz anders muten dagegen die Entwürfe der anderen beiden Frauen an. Die Ausstellung zeigt den ganzen Reichtum ihrer Stile. Spielerisch ist Margarete Heymann an die einzelnen Elemente gegangen, hat mit geometrischen Formen für Tassengriffe und Kannenschnäbel experimentiert. Marguerite Friedlaender entwarf als Leiterin der Porzellanwerkstatt an der Burg Giebichenstein weiße Service für die Staatliche Porzellan-Manufaktur KPM, die auch heute noch aufgelegt werden und wunderbar zeitlos und schlicht sind. Auch nach der Machtergreifung der Nazis 1933 hielt die Königlich Preußische Porzellanmanufaktur an dem weißen Service mit der sogenannten Halleschen Form fest, jedoch ohne den Namen der Urheberin zu nennen.

In einer Vitrine liegt ein Brief Friedlaenders an Walter Gropius, datiert auf 1946, es geht um Hilfssendungen an ehemalige Mitarbeiter der Bauhaus-Schule nach Ende des Kriegs. Die Künstlerin schreibt auf Englisch. Offensichtlich wollte sie sich sprachlich von Deutschland distanzieren. Auch das ist eine Gemeinsamkeit: Alle drei Frauen emigrierten – Margarete Heymann nach Großbritannien, Marguerite Friedlaender und Eva Stricker in die USA. Letztere wurde eine Vorreiterin des sogenannten „Organic Designs“ mit seinen charakteristischen runden, amorphen Formen. 2011 ist sie mit 105 Jahren in New York verstorben. Ihr gelang es, eine zweite Karriere aufzubauen. Fernab der Heimat. Anna Pataczek

Bröhan Museum, Schlossstr. 1a, bis 20. Mai; Di bis So 10–18 Uhr.

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