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Kultur: Apocalypse lau

Schon in der Frühzeit des Films wußte das Kinopublikum, wie ein Erdbeben, ein Orkan, ein Großbrand oder eine Insektenplage aussieht.Das Bedürfnis nach Nervenkitzel existierte von Anfang an - es mußte nur das technische know how entwickelt werden.

Schon in der Frühzeit des Films wußte das Kinopublikum, wie ein Erdbeben, ein Orkan, ein Großbrand oder eine Insektenplage aussieht.Das Bedürfnis nach Nervenkitzel existierte von Anfang an - es mußte nur das technische know how entwickelt werden.Und das ging schnell.Allerdings haben Publikum und Kritiker in den Katastrophenfilmen nie mehr gesehen als einen Vorwand für spektakuläre Tricktechnik; als Endzeitvisionen sind Filme über den Untergang von Pompeji oder das Erdbeben von San Francisco nicht empfunden worden.Das änderte sich 1974 schlagartig mit dem überwältigenden Erfolg von "Flammendes Inferno" und "Erdbeben".Jetzt wurden selbst diejenigen nachdenklich, die sich normalerweise wenig für Gesellschaftskritik interessieren.Überlegungen wurden angestellt, was das für ein Publikum sein mag, das sich am Anblick seines eigenen Untergangs delektiert.Sind solche Filme Ausdruck von Todessehnsucht? Oder wollen sie uns dazu anspornen, reale Katastrophen zu verhindern?

Was immer damals in den Köpfen der Drehbuchautoren und Regisseure vorgegangen ist - ihre Filme hatten keine aufmunternde Wirkung.Das Happy-End ereignete sich zufällig und betraf ohnehin nur ein paar Auserwählte.Gnadenlos wurde dem Publikum vermittelt, daß die Technik machtlos ist, wenn die Natur verrückt spielt.In den siebziger Jahren leisteten sich selbst die großen Hollywood-Studios noch subversive Botschaften.Davon kann heute keine Rede mehr sein.So nahe es auch liegt, am Ende des Jahrhunderts Untergangsstimmung zu empfinden: die jüngsten Katastrophen sprechen eher für ein starkes Selbstbewußtsein und blindes Vertrauen in die Technik.In "Armageddon" spricht es der NASA-Chef Truman (Billy Bob Thornton) ganz offen aus: Wir verfügen heute über die Mittel, um einen Weltuntergang zu verhindern.Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos.

Aber wo bleibt die Spannung, wenn der Ausgang so sicher ist? Sie könnte darin bestehen, daß wir um einzelne Figuren bangen.Zu den Schwächen des "Armageddon"-Regisseurs Michael Bay gehört jedoch die Unfähigkeit, Idylle und Chaos voneinander abzugrenzen.Bei ihm ist alles Chaos.Bay interessiert sich weder für Menschen noch für Räume, das einzige, was ihn interessiert, ist die entfesselte Kamera, die permanent kreist und schwenkt.Als wäre das noch nicht nervtötend genug, müssen die männlichen Darsteller permanent herumbrüllen.So geschwätzig war schon lange kein Actionfilm mehr - waren das Zeiten, als Profis noch durch Schweigsamkeit auffielen!

Was dem Publikum als Katastrophenfilm angedreht wird, ist genaugenommen ein überlanges Trainingsvideo.Ein halbes Dutzend rauhe Kerle, angeführt von Ölbohrer Harry S.Stamper (Bruce Willis), soll zu dem Asteroiden fliegen, der die Steine ausstößt, und ihn vernichten.Die Männer werden im Schnellverfahren ausgebildet, und bei der Gelegenheit werden militärische Tugenden gepredigt.Nach dem Gelingen der Mission begrüßen kleine Jungen ihre Väter und tragen Modellflugzeuge mit sich herum; deutlicher kann der Film sein Anliegen nicht formulieren.Stamper nimmt es der NASA nicht übel, daß sie ihn zwischendurch einmal liquidieren will.Der Feind sitzt für ihn ganz woanders: bei seinem ersten, lustig gemeinten Auftritt schießt er von einer Bohrinsel mit Golfbällen auf Greenpeace-Aktivisten.

Ein militaristischer Film muß nicht schlecht, nicht einmal unsympathisch sein.Aber Michael Bay läßt keine menschlichen Regungen zu.Bruce Willis kann sich gegen das Getöse um ihn herum nicht durchsetzen.Liv Tyler muß in der Rolle seiner Tochter sogar einen Frauentypus aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges wiederbeleben - die tapfere Soldatenbraut, deren Lebensinhalt darin besteht, auf ihren Liebsten zu warten.Das Warten lohnt hier nicht einmal, denn der Mann ihrer Träume ist Ben Affleck, der auf unterstem Soap-Opera-Niveau agiert.

Ganz selten kann man aufatmen, etwa wenn Steve Buscemi auftritt oder wenn ausgerechnet Udo Kier die Männer nach ihrer psychischen Stabilität untersucht.Ansonsten ist "Armageddon" von einer niederschmetternden Humorlosigkeit.Und doch, mit all seinen Mängeln, dürfte dieser Film besser ankommen als der thematisch verwandte "Starship Troopers".Gerade weil es keine ironischen Brechungen gibt, sondern nur fliegende Steine und brüllende Männer.Es ist die weitverbreitete Empfänglichkeit für solch eine Art von "Unterhaltung", die für Endzeitstimmung sorgt, und nicht der Anblick verwüsteter Großstädte.

In 23 Berliner Kinos, OV in Kurbel und Odeon

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