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Kultur: Apokalypse light

Lyrischer ist selten eine Apokalypse dahergekommen.Der einleitende Marsch, der sich mit seinem immer wieder repetierten einprägsamen Vierton-Motiv als Klammer um das Oratorium legt, gleicht dem rüstigen Schreiten eines Schubert-Wanderers eher als dem Vorboten des Weltuntergangs.

Lyrischer ist selten eine Apokalypse dahergekommen.Der einleitende Marsch, der sich mit seinem immer wieder repetierten einprägsamen Vierton-Motiv als Klammer um das Oratorium legt, gleicht dem rüstigen Schreiten eines Schubert-Wanderers eher als dem Vorboten des Weltuntergangs.Nach und nach treten zu den Hörnern die anderen Instrumentengruppen hinzu, aber richtig laut oder dissonant wird es nie.Die Realität der Entstehungszeit scheint an Franz Schmidt und seinem 1938 vom Wiener Singverein uraufgeführten Hauptwerk "Das Buch mit den sieben Siegeln" vorübergegegangen zu sein.Aus der bluttriefenden biblischen Offenbarung der Letzten Dinge und Kämpfe destillierte sich der österreichisch-ungarische Komponist kurz vor dem Zweiten Weltkrieg nichts Beunruhigenderes als einen episodischen Bilderfries, den die präraffaelitisch-dünne Luft der Verheißung eines tröstlichen Endes umweht.Daß es ihm trotzdem gelang, seine Vision dicht und überzeugend zu gestalten und dabei seinen unverwechselbar eigenen Ton zu finden, sichert diesem verspäteten Ausläufer des Wiener Ästhetizismus seinen Platz unter den Großwerken des 20.Jahrhunderts.Als solches durfte es bei den diesjährigen Festwochen nicht fehlen.

Der kurzfristig für den schwer erkrankten Horst Stein eingesprungene Dirigent Leopold Hager nahm das Deutsche Symphonie-Orchester in der Philharmonie radikal zurück und wirkte damit der Gefahr einer falschen, weil mißverständlichen Monumentalität entgegen.Im Detail aber schien die Probenzeit nicht ausgereicht haben, um der Artikulation eine größere Schärfe und Bestimmtheit, dadurch den einzelnen Bildern Spannung und dem großen Bogen des Ganzen Zug zu geben.Der Wiener Singverein bürgte für eine authentische Interpretation des Chorparts.Noch in 120köpfiger Stärke schlank in den Sprechgesängen, ausladend und farbenreich in den zahlreichen Chorfugen zeigte er sich bestens zu Hause in Franz Schmidts Opus Magnum.Als Johannes von Patmos führte Robert Gambill, zwischen lyrischem und Heldentenor schwankend, mit seinem baritonal-metallisch gefärbten Organ etwas zu neutral durch die Handlung, während Robert Holl vom Balkon aus die gnadespendenden Herrenworte mit edlem Bariton salbte.Von Julie Kaufmann, Dagmar Peckova, Kurt Azesberger und Robert Holzer hätte man sich allerdings ein himmlischeres "Sanctus" erwartet.

BORIS KEHRMANN

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