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Kultur: Apollos Optik

Ismael Ivo tanzt im Berliner Bode-Museum

Ja, natürlich: Der stolz in die Höhe gereckte Blütenstamm, der steife Stengel, überhaupt die ganze fleischige Art dieser Pflanze – die Hyazinthe ist das perfekte Phallus-Symbol. Aus dem Blut eines von Apoll verehrten Jünglings, so will es die griechische Mythologie, entspross die erste dieser Blumen. Bei Hyacinths Vater, König Oebaldus, findet der aus dem Olymp verstoßene Gott Gastfreundschaft. Dass er nicht nur dem Sohn in Knabenliebe zugetan ist, sondern auch noch die Herrschertochter Melia zur Ehefrau begehrt, inspirierte den 11-jährigen Mozart zu einer herrlichen Koloraturarie. „Laetari, iocari“ jubiliert die Auserwählte in bestem Schullatein – denn „Apollo et Hyacinthus“, die allererste Oper des Wunderkinds, entstand für die Jahrgangsabschlussfeier 1767 am Salzburger Gymnasium.

Der Dirigent Christoph Hagel, Spezialist für Musiktheateraufführungen an ungewöhnlichen Orten („Don Giovanni“ im E-Werk, „Zauberflöte“ im Zirkuszelt), hat Amadeus’ Erstling nun ins neueröffnete Bode-Museum gebracht. Gespielt wird in zwei alternierenden Besetzungen bis zum 9. Dezember täglich außer donnerstags, und 46 Euro (mit vorheriger Führung 64) muss den Besuchern der abendliche Zugang zur Kunstsammlung wert sein. Durch die neobarocke Kuppelhalle wabern zur Begrüßung sakrale Gesänge, bevor die Zuschauer in den Saal der sogenannten Basilika geführt werden, um beiderseits eines Laufstegs Platz zu nehmen. Mozart als Modenschau: Echter Rollrasen symbolisiert das antike Arkadien, die Tänzer sehen in ihren weißen Anzügen aus wie Calvin-Klein-Models. Die Sänger fungieren als ihre Negativbilder, sind ganz in schwarz gewandet – und ersichtlich froh, dass sie nicht schauspielern müssen. Denn alles, was es zu erzählen gibt, überantwortet der Choreograf Ismael Ivo seinen Körpermimen. So höfisch anmutig, wie es die Komposition vorgibt, darf sich nur Yui Kawaguchi als Melia bewegen. Die Jünglinge dagegen durchzuckt es immer wieder konvulsivisch – getrieben vom Verlangen nach dem eigenen Geschlecht wälzen sie sich über die Grünfläche und wie auch übereinander. Vor allem Ivo, der den Apollo natürlich selber tanzt, nervt dabei mit ostentativem Schulterblatt-Kreisen und pathetischem Arm-Rudern.

Dass ein dramatisch bewegter Puls nicht zwangsläufig ins Exaltierte umschlagen muss, zeigt Hagel, der sich mit den Berliner Symphonikern professionell auf die wattige Akustik der Basilika einstellt. Ein zwitterhafter, trotz gnadenloser Klimatisierung dann doch ziemlich schwüler Abend, der dem kaiserlichen Bauherrn des Bode-Museums in seinen erotischen Implikationen womöglich gefallen hätte. Denn wie pflegte Wilhelm Zwo in seinem verdächtig machohaften Kommisston zu sagen: „Apoll, meine Herrn!“

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