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Meier

© dpa

Architektur: Das Haus, das Quadrat und die Farbe

US-Architekt Richard Meier über seine Bauten in Deutschland und die Wiederkehr der Moderne.

Mr. Meier, Sie bauen ziemlich viel in Deutschland. Erst unlängst wurde Ihr Arp Museum in Rolandseck eröffnet. ....

... Oh ja. Es hat 20 Jahre gedauert. Ich hätte nie gedacht, dass wir je damit fertig würden.

... gibt es eine Affinität zwischen Ihnen und Deutschland?

Vielleicht. Ich hatte vor allem Glück. Man versteht in Deutschland die Architektur heute viel besser. Das war nicht immer so. In Deutschland wirken meine Arbeiten anders. Die Größenordnung, die Kontexte sind anders. Das Stadthaus in Ulm direkt am Münster zum Beispiel: Für mich war das schönste, einen öffentlichen Platz zu schaffen, wo vorher ein Parkplatz war.

Sie gelten in Deutschland als Erzmodernist, der die Ideen der klassischen Moderne, des Bauhauses, ins 21. Jahrhundert trägt.

Manche sahen das so, als ich 1981 das Frankfurter Museum für Kunsthandwerk baute. Man sah darin die Moderne wieder zum Leben erweckt. Aber das lag daran, weil man den Wert eines Gebäudes erkennen konnte, das offen und transparent war. Man war das damals in Deutschland nicht gewohnt.

Sie sind berühmt für die Einheitlichkeit Ihrer Bauten. Ein Meier-Gebäude erkennt man sofort. Woher kommt das?

Weil alle meine Gebäude von einer bestimmten Vorstellung bestimmt werden, wie man Räume kreiert. Als Architekt habe ich es immer mit bestimmten Elementen zu tun: Licht, Raum und wie das Gebäude in Beziehung zu seinem Kontext gesetzt wird. Architektur ist nicht organisch, sondern von Menschen gemachte Kunst. Aber es kommt auf das Verhältnis zwischen Gebäude und Umgebung an. Die Offenheit interessiert mich – die Transparenz, wie Licht eindringt, in welcher Beziehung transparente und undurchsichtige Elemente stehen. Mit diesen Ideen befassen sich meine Gebäude. Vielleicht kommt daher die Konsistenz.

Haben Sie jetzt Ihren Stil oder eine Architekturphilosophie beschrieben?

Eher eine Philosophie. Es geht um Offenheit und Geschlossenheit, um öffentliche und private Räume und wie man sie in ein Gleichgewicht bringt. Eine andere Architektur käme für mich nicht in Frage.

Hatten Sie nie Lust, einmal ein Gebäude zu machen, das nicht weiß ist?

Nie. Weiß filtert Farbe, reflektiert Farbe und die Umgebung. An einem trüben Tag ist das Weiß anders als an einem sonnigen. Das Gebäude lebt mit seiner Umgebung. Bei einem farbigen Gebäude geht das nicht.

In Rom hat man Ihnen diese Einheitlichkeit zum Vorwurf gemacht. Als Sie das Ara Pacis Museum bauten, gab es Proteste. Man sah Sie als amerikanischen Architekturimperialisten an, vor dem man die römische Bautradition schützen muss.

Das war nur ein politisches Argument. Da wollte einer Bürgermeister werden und bekämpfte den Bürgermeister, der mich vorgeschlagen hatte. Mit Architektur hatte das nichts zu tun. Die Römer sind heute sehr zufrieden. Das Museum ist nach dem Vatikan und Colosseum die meistbesuchte Sehenswürdigkeit Roms.

In China diskutiert man heute ähnlich, ob es nicht chinesische Wolkenkratzer geben müsste. Brauchen wir nicht auch lokale Architektursprachen, damit sich nicht alle Häuser in der Welt gleichen?

Ich denke, wir leben in einer Weltgesellschaft. Wir sehen, was in Shanghai passiert, und umgekehrt sehen die Chinesen, was wir machen. Abgesehen davon gibt es beim Hochhaus gewisse technische Vorgaben, die den Stil und die Form beeinflussen. Die chinesische Architektur kennt keine Hochhäuser, es ist eine Bautradition mit niedrigen Häusern. Das als Pastiche den Hochhäusern aufzusetzen, scheint mir nicht sinnvoll. Man kann ein Haus schöner als das andere finden. Aber man kann einem Hochhaus nicht vorwerfen, dass es die chinesische Kultur nicht darstellt.

In der Londoner Ausstellung zeigen Sie Design, aber auch Papiercollagen, Malerei und Skulpturen, die überraschend sind. Sie setzen Abfallteile von Architekturmodellen neu zusammen und lassen sie in Edelstahl gießen. Für einen so edlen Architekten wirkt das ziemlich anarchistisch.

Es sind freie Collagen. Auch hier geht es um die Gestaltung von Raum. Aber anders als bei einem Haus gibt es keinen Kontext, keine Funktion, nur das reine Spiel mit der Form. Die Skulpturen sind aus Abfällen von Architekturmodellen für das Getty Museum entstanden. Ich fand sie zu teuer, um sie wegzuwerfen und machte Skulpturen daraus. Die Museumsteile sind noch zu erkennen, aber im Guss haben sie einen völlig anderen Charakter. Diese Entfremdung gefällt mir.

Auch Ihre Papiercollagen entstehen aus Abfällen: Flugtickets, Theaterprogramme, Einladungskarten. Sind das visuelle Tagebücher?

Nein, auch das sind freie Collagen. Ich stecke diese Papiere auf meinen Reisen in die Tasche. Zu Hause stelle ich mir die Aufgabe: etwa eine rote oder schwarz-weiße Collage zu machen und spiele dann mit den Elementen. Es macht mir Freude. Das ist alles.

Und immer im quadratischen Format. Die Collagen und Gouachen mit Seelandschaften, auch die Verkleidungsplatten ihrer Bauten sind meist quadratisch. Warum?

Weil das Quadrat ohne Richtung ist. Neutral. Es gibt keine Haupt und Nebenachse. Es herrscht völlige Gleichheit zwischen Horizontalen und Vertikalen. Es ruht in sich selbst.

Das Gespräch führte Matthias Thibaut

ZUR PERSON

Der 1934 in Newark geborene Architekt deutscher Abstammung gründete 1963 in New York sein Büro, wurde aber zunächst in Europa bekannt: 1984 mit dem Frankfurter Museum für Kunsthandwerk, 1986 dem Ulmer Stadthaus. 1992 folgte das Getty-Museum in Los Angeles, 1995 das Museum für Moderne Kunst in Barcelona.

Die Londoner Louise T Blouin Foundation, ein privates Kunstinstitut, zeigt bis 31. 12. freie künstlerische Entwürfe und Design von ihm.

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