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Peichl

© dpa/p-a

Architektur: Dr. Ironimus

Er gehört zu den bekanntesten österreichischen Architekten seiner Generation. Ein Postmoderner, der die Postmoderne überwunden hat. Zum 80. Geburtstag des Architekten Gustav Peichl.

Humor und Selbstironie gehören nicht zu den hervorstechendsten Eigenschaften von Architekten. Gustav Peichl, der heute seinen 80. Geburtstag feiert, macht eine Ausnahme. Unter dem Pseudonym Ironimus hat der in Wien geborene Architekt seit 1955 in Österreich und seit 1968 in der „Süddeutschen Zeitung“ Karikaturen veröffentlicht. Mit ökonomisch-elegantem Strich spiegeln sie Peichls Wesen: nie verletzend, sondern konziliant. Möglichst auf den Punkt gebracht. Karikaturenzeichnen, hat er einmal bekannt, sei für ihn „eine Art Ventil, es erspart mir sozusagen den Psychiater“.

Auch Peichls Baukunst baut auf Witz, ohne sich im Pointenfeuer zu erschöpfen. Seine himmelblaue Kindertagesstätte für die Angestellten des Deutschen Bundestages fällt mit ihrer kindgerechten Dachlandschaft aus dem Berliner Raster. Der niedrige Baukörper an der Spree vermittelt klug zwischen den Solitären Paul-Löbe-Haus und Bundespressekonferenz.

Vermitteln ohne einzulullen, könnte als Motto über seinem Lebenswerk stehen. Zu diplomatischer Höchstform lief Peichl nach der deutschen Wiedervereinigung in Berlin auf. Für Helmut Kohl war Peichl so etwas wie der Premier eines architektonischen Schattenkabinetts – zusammen mit dem damaligen Kanzleramtsminister Anton Pfeifer und der Ex-Präsidentin der Bundesbaudirektion Barbara Jakubeit. In regelmäßigen Sitzungen vermittelte der informelle Expertenkreis zwischen Kanzler und den Kanzleramtsarchitekten Axel Schultes und Charlotte Frank. Peichl hat Schultes’ Kanzleramt gewissermaßen mitzuverantworten. Als sich die Wettbewerbsjury 1994 nicht zwischen zwei ersten Preisträgern entscheiden konnte, soll Peichl Kohl geraten haben: „Wenn Sie den Entwurf von Schultes bauen wollen, brauchen Sie Mut.“ Worauf Kohl antwortete: „Dann machen wir es.“ Der erste Kontakt entstand in Bonn. Bis 1992 wurde dort unter tätiger Anteilnahme von Helmut Kohl Peichls Bundeskunsthalle gebaut. Ein von Spitzkegeln bekröntes Multifunktionshaus, vis-à-vis von Schultes’ introvertiertem Kunstmuseum.

Neben Hans Hollein zählt Peichl zu den bekanntesten österreichischen Architekten seiner Generation. Ein Postmoderner, der die Postmoderne überwunden hat. Internationales Aufsehen errang er 1969 mit dem Wettbewerbssieg für sechs ORF-Landesstudios. Gebaut hat er sie alle, bis 1983. Gestrandete Raumschiffe, in Salzburg, Innsbruck, Linz, Dornbirn, Graz und Eisenstadt. Peichl kann dickköpfig sein, Irrtümer eingeschlossen. Sein dekorativ aufgemotzter Erweiterungsbau des Frankfurter Städel ist so unglücklich mit dem Altbau verbunden, dass er nun zu Werkstätten und Büros umgebaut werden soll. Der 2001 eingeweihte Erweiterungsbau der Münchner Kammerspiele wiederum: ein Muster zweckdienlicher Funktionalität.

2001 wurde in Krems das erste Karikaturenmuseum Österreichs eröffnet, nach Peichls Entwurf. Derzeit präsentiert das Haus mit der markant gezackten Dachlinie natürlich Ironimus. Michael Zajonz

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