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Architektur: Politik der Steine

Auf Demokratie gebaut: Das Amerika-Haus zeigt in einer großartigen Schau die US-Architektur West-Berlins.

Von Caroline Fetscher

Sie fielen buchstäblich vom Himmel, die Geschenke der Amerikaner. Schokolade und Candy regneten während Blockade und Luftbrücke aus den „Rosinenbombern“. Doch nicht nur rasch vergängliche Gaben verdankte die Frontstadt Berlin ihren transatlantischen Alliierten. Auf die Luftbrücke folgten in den fünfziger und frühen sechziger Jahren weitere Lichtblicke, zu denen das beeindruckende architektonische Erbe der Epoche zählt, das allein durch Spenden der Amerikaner ermöglicht wurde. Erstmals erinnert jetzt – mit sensationellen Fotografien – eine Ausstellung an diese Bauten.

Die Präsentation im Berliner Amerika-Haus gerät auch zu einem Monument für die Ökonomin Eleanor Lansing Dulles (1895-1996), Berlin-Beauftragte des US-Außenministeriums, damals bekannt als „Mother of Berlin“ und Schwester des US-Außenministers John Foster Dulles und des CIA-Chefs Allen Dulles. Durch ihre Initiative sind die „Geschenke der Amerikaner“, so der Titel der Ausstellung“, entstanden: Amerika-Haus, Kongresshalle (heute Haus der Kulturen der Welt), Akademie der Künste im Tiergarten, Amerika-Gedenkbibliothek, Heizkraftwerk Reuter-West, Marshall-Bau auf dem Messegelände, Ford-Bau, Otto-Suhr-Institut und Mensa der Freien Universität Berlin, Universitätsklinikum Benjamin Franklin sowie das Studentendorf Schlachtensee.

Viele Millionen Dollar errang Dulles für diese Bauten vom Washingtoner State Department, das Resultat waren reelle, dreidimensionale, nutzbare und kostbare Geschenke für Berlins Insulaner im Kalten Krieg. Bis auf die Kongresshalle, die der Amerikaner Hugh Stubbins entwarf, bauten ausnahmslos deutsche Architekten, wie etwa Bruno Grimmek (MarshallHaus 1950, Amerika-Haus 1956/1957).

Enorm sind die ästhetische wie historische Signifikanz der Bauten, woran Adrian von Buttlar, Professor für Kunstgeschichte an der Technischen Universität Berlin, bei der Eröffnung der Ausstellung erinnerte. In den spektakulären Projekten manifestierte sich, so von Buttlar, „im Anschluss an die große Tradition der wesentlich von Deutschland geprägten und dann aus Deutschland vertriebenen klassischen Moderne ein spezifischer künstlerischer Ausdruck“. Dieser sei „als kulturelles und politisches Bekenntnis zu den freiheitlichen und fortschrittlichen Werten des Westens“ zu lesen.

Trotz alledem sind die Geber und der Wert der Gaben in Vergessenheit geraten. Sogar von Abriss bedroht, mahnte von Buttlar, waren einige der denkmalgeschützten, einzigartigen, „kühnen Solitäre“ schon, etwa der Marshall-Bau auf dem Messegelände. „Der Abriss eines solchen Symbols wäre nicht nur eine kulturelle Fehlleistung, sondern auch politisch beschämend für das kurze Gedächtnis Berlins“, entsetzte sich Berlins Denkmalrat. Immerhin pries nun die Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer angesichts der Ausstellung ein Architekturerbe, das zum „Lebensgefühl der Verbundenheit mit den Amerikanern“ gehöre. „Die Ausstellung ist auch ein Geschenk an uns!“, freute sich im Namen ihrer Botschaft auch die Amerikanerin Pam DeVolder bei der Eröffnung.

Gemeinsam haben die Technische Universität Berlin und das Studentendorf Schlachtensee diese Geschenke-Schau kuratiert. Dass jedoch die bleibenden „Geschenke der Amerikaner“ im AmerikaHaus – über dessen künftige Nutzung seit 2006 gerungen wird – jetzt mit einer ästhetisch wie gedanklich hervorragend konzipierten Ausstellung gewürdigt werden, verdankt sich vor allem einer hochbegabten, engagierten Fotografin und Architektin. Es war die Idee von Mila Hacke, 1973 in Berlin geboren, die amerikanischen Bau-Geschenke fotografisch zu dokumentieren und neu lesbar zu machen. Das Ergebnis ist eine mit geringen Mitteln entstandene, dafür umso sensationellere Präsentation und Re-Präsentation. Hackes leuchtend transparente Farbfotografien lassen Betrachter die Bauten erfahren, als stünden sie in einem lichten Augenblick unmittelbar vor ihnen. Fast magisch verstärken die Bilder das demokratische Flair der Nachkriegsmoderne.

Ehe Mila Hacke ein Gebäude porträtiert, studiert sie den Bau von außen, von innen – und von seiner Entstehungsgeschichte her. Sie liest die Baupläne, beginnt die Position des Architekten zu erfassen und begibt sich in Geschichte und Gegenwart des Baus hinein. „Dann denke ich darüber nach, wie ich das Konzept ins Zweidimensionale kondensieren kann“, erläutert die so gefestigt wie bescheiden wirkende Fotografin. Das Ergebnis ihrer künstlerisch-technischen Verdichtung sind Fotografien, die Tiefenschärfe und Klarheit mit diskreter Reverenz verbinden. Ohne Zögern und zu Recht vergleicht Adrian von Buttlar Mila Hacke, die unter anderem bei der Tate Modern lernte und mit der Architektin Zaha Hadid gearbeitet hat, mit einer Künstlerin wie Candida Höfer.

Daran, dass die Bauten aktiver Teil der alliierten Policy waren, wird Ende Juni die vom Studentendorf organisierte, siebenstündige „Reeducation-Tour“ durch Berlin erinnern. Zu einer erstklassig besetzten Ringvorlesung über die architektonischen „Geschenke der Amerikaner“ lädt außerdem das Institute for Metropolitan Studies der Technischen Universität Berlin bis 16. Juni jeden Donnerstag in deren Architekturgebäude ein. Endlich erlebt Berlin erste Symptome einer produktiven Wiederbelebung der „Geschenke der Amerikaner“. Adrian von Buttlar vermutet: „Das Pendel schlägt wieder um. In der Ära Obama sehnen wir uns nach einer Harmonisierung unseres Verhältnisses zu den Vereinigten Staaten.“

Bis 30. Juni, Hardenbergstraße 21-24, Mo-Sa 12-18 Uhr. Mehr Informationen:

www.geschenke-der-amerikaner.de

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