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Kultur: Arm bleiben können wir

Jenseits der Bauwirtschaft: die Szene der jungen Architekten in Berlin

Das Architekturstudium gehört im Vergleich mit den Büffelorgien der Juristen oder der Mediziner nicht zu den Horrorszenarien der bundesdeutschen Hochschulszene. Das mag zu seiner Beliebtheit beitragen. 8500 Absolventen drängen jährlich auf den Arbeitsmarkt und wollen zumeist nur das eine: bauen. Fatal nur, dass dort schon 12000 arbeitslose Kollegen sich die Beine vertreten. Und dass die anderen 100000 Mitglieder der Architektenkammern zum Teil auch am Kreditlimit leben.

Was bleibt den jungen Baukünstlern angesichts nachhaltig düsterer Prognosen der Baukonjunktur? Konsequent Umsatteln oder Ausschwärmen in benachbarte Berufssparten fällt schwer. Aussitzen und auf bessere Zeiten hoffen kann sich nicht jeder leisten. Wenig Arbeit wird auf viele „freie“ Schultern verteilt, so hält man sich am Leben und bewahrt die Hoffnung. Doch wie in jeder Architektengeneration gibt es begeisterungsfähige und kommunikative Studenten, die schon während des Studiums vor Ideen nur so sprühen und diese nach dem Diplom mit neuem Elan weiter verfolgen. Früher haben sich diese Schnellläufer rasch qualifiziert, haben Wettbewerbe gewonnen und erfolgreiche Büros gegründet.

Derzeit sind die Wege zum Erfolg steiniger. Mit gleich zwei Sonderheften „Off-Architektur 1 und 2“ nahm sich die Architekturzeitschrift „archplus“ die junge Avantgarde vor. Laut archplus hat sich eine Off-Szene entwickelt und Netzwerke sind entstanden, die eine architektonische Kultur jenseits der Bauwirtschaft darstellen. Ähnlich wie junge Künstler agieren, provozieren, arbeiten die Nachwuchsarchitekten an avantgardistischen Konzepten und suchen neue Wege der Kommunikation. So haben sich neben der etablierten Galerie Aedes ein Dutzend Ladengalerien und Initiativen gebildet. Sie nennen sich showroom berlin, suitcase architecture, urban drift oder framework und geben hart am Rand der Selbstausbeutung den Avantgardisten eine Bühne. Nur die auf gut deutsch firmierende Architektur Galerie Berlin von Ulrich Müller versucht sich als herkömmliche Galerie, die mit ihren Ausstellungsstücken Handel treibt.

Erfolgversprechend ist das nicht; auch die Galerie Aedes hatte so begonnen, zu Zeiten der Postmoderne. Doch ein Markt ließ sich nicht entwickeln.

Neue Zeitschriften werden gegründet, die heißen „032c“, „Shift!“, „the berliner“ oder „An Architektur“ und verbreiten neue Wahrheiten und skurrile Thesen, verstiegene Theorien und hippe Bilder. Selbstverständlich ist man im Internet präsent, meist mit ebenso engagierten wie unübersichtlichen, selbstverliebten, teilweise unverständlichen Auftritten. Die Szene lebt kurzatmig. Kaum je reicht es für fundierte Ideenentwicklung, gründlich recherchierte Forschung und sattelfeste Theorieansätze. Aber es reicht, um bekannt zu werden, es reicht zu Aufträgen im Medien- und PR-Bereich und hier und da zu einer Professur. Selten reicht es hingegen zum Einstieg in die eigentliche Profession, ins Bauen.

Raumlabor zum Beispiel, ein Netzwerk aus Spezialisten, die in immer neu organisierten Gruppen Ideen und Projekte bearbeiten und in Ausstellungen, Internet und Workshops diskutieren. „Unser Label steht für grün, witzig und viel zu billigA. Geld zum Leben bringen kleinere Aufträge, Sanierungen, Umbauten.“ Die konkreten Bauaufgaben verteilen sich auf die verschiedenen Subgruppen, die ihre individuellen Strategien haben. Sollte sich daraus ein verkaufsfähiges Produkt entwickeln, umso besser. „Arm bleiben können wir ja immer noch“, beschreibt Kristian Kreutz die Vorgehensweise. Er träumt vom Prinzip Raumlabor als Franchise-Unternehmen, und seine Kollegen prognostizieren in zehn Jahren eines der größten internationalen Netzwerke mit 950 Raumlaboranten und den ersten 2000 realisierten Projekten...

Andere wollen nicht auf Investoren warten. Immer häufiger arbeiten Architekten auf eigene Rechnung, am Rand der Legalität, denn diese Interessenvermengung ist eigentlich verboten, und am Rand des vertretbaren Risikos.Die bislang bekannt gewordenen Projekte – meist Appartementhäuser in innerstädtischen Baulücken – scheinen zu beweisen, dass Architekten ohne die Knute des anonymen Investor-Bauherrn zu großer Leistung auflaufen – bei gleicher Wirtschaftlichkeit natürlich, denn es geht ja um ihr eigenes Geld.

Wolfram Popp mit seinen Lofthäusern oder Hoyer und Schindele an der Choriner Straße sowie Abcarius und Burns mit urban living in der Joachimstraße gehören zu diesen risikobereiten Nachwuchsarchitekten, die zu großer Hoffnung Anlass geben - nicht zuletzt im Interesse der Architekturqualität in Berlin.

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