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Kultur: Arschloch oder obdachlos

Nina Hagen war hier.Und Nena.

Nina Hagen war hier.Und Nena.So gesehen hätte der neueröffnete Komparsen-Service "Regenbogenstudio" keinen besseren Ort finden können für das Geschäft mit der Unterhaltung.Nur eine Wand liegt zwischen den ehemaligen Übungsräumen der Musikerinnen und dem Photostudio, in dem Peter van Grieken seine Kunden ablichtet.Es wirkt alles noch ein wenig provisorisch.Für Wärme sorgen Heizstrahler, das Photostudio ist nicht mehr als ein großes Zimmer, aus dem mit Hilfe von Vorhängen ein Teil herausgeschnitten wurde.Auf einem Holzpodest posiert die zukünftige Staffage von Fernsehserien und Kinofilmen.

Johlende Menge, flanierende Passanten, Supermarktkunden - Komparsen sind die normalen Menschen im Fernsehen.Man soll sie wahrnehmen, ohne auf sie aufmerksam zu werden, sehen, ohne sich auf sie zu konzentrieren.Wenn das klappt, ist es gut.Wenn es sehr gut klappt, erkennen sie sich noch nicht einmal selbst."Man weiß, daß man in dieser Szene dabei ist, sucht sich aber trotzdem vergeblich", sagt Ruth Niekisch.Sie hat unter anderem eine Obdachlose gepielt in der ZDF-Serie "Kommissar Sperling", war bei "Sommerallee" dabei und erst kürzlich bei dem Kinofilm "After the Truth", in dem Götz George den Menschenschinder und KZ-Arzt Josef Mengele spielt.Sie hat Theatererfahrung und ihre Karte schon bei sechs Castingagenturen in der Kartei.Auf dem Holzpodest ist sie trotzdem nicht locker."Hier bin ich doch auch alleine, und im Film sind es immer mehrere", sagt sie und lächelt dabei ein wenig unsicher.

Peter van Grieken kann damit umgehen.Ein kleiner Scherz, ein Kompliment für den Pullover, schon ist die Unsicherheit weg und der Film voll.Der ehemalige Theaterphotograph ist ein Profi unter den Komparsen.Die Liste seiner Auftritte reicht von "Helicops" über "Die Schläfer" bis "After the Truth" und darüber hinaus.Seit zwei Jahren schnuppert er am Duft der Film- und Fernsehwelt, hat Brigitte Mira getroffen, Katja Riemann, Uwe Ochsenknecht und Thekla Carola Wied.Das und die Möglichkeit, ständig in Rollen schlüpfen zu können, die die Realität für ihn gar nicht alle hergibt, macht für van Grieken den Reiz des Komparsendaseins aus.Er war Pastor und Pförtner, Barkeeper und Betrunkener."Aber am liebsten bin ich der Stinkstiefel, das Arschloch."

Reich wird ein Komparse damit nicht.Ein zehnstündiger Arbeitstag bringt 100 Mark, pro Jahr sind nicht mehr als 50 Drehtage erlaubt.30 Mark extra bringt ein gesprochener Satz.Kann man Utensilien wie Kinderwagen, Taucheranzug oder sein Auto mitbringen, gibt auch das noch Geld.Richtig lohnend ist es, sein Haus zur Verfügung zu stellen: 20 000 bis 30 000 Mark pro Drehtag seien da schon drin, weiß van Grieken.

In einem detaillierten Fragebogen wird festgehalten, was den Kunden ausmacht und ihn qualifizieren könnte.Schuhgröße und Kragenweite sind genauso von Interesse wie Tattoos, Piercings, die Bereitschaft zu Nacht- und Nacktaufnahemen oder der Besitz eines Führerschein.Die Agenturen "suchen besonders nach Amputierten und Rollstuhlfahrern."Da trauen sich so wenige", sagt van Grieken.Oder sie wüßten noch nicht einmal, welche Möglichkeiten sie gerade wegen ihrer Handicaps haben.

Der ausgefüllte Fragebogen geht zusammen mit den Photos an bis zu zehn Casting-Agenturen, die unter anderem für Serien wie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", "Helicops" oder "Wolffs Revier" arbeiten.Das ist das Neue am "Regenbogenstudio": Die Kunden profitieren von van Griekens Kontakten und landen mit einem einmaligen Aufwand automatisch in mehreren Karteien.Dafür verlangt er 280 Mark.

Komparsenservice Regenbogenstudio, Huttenstraße 41-44, Tel.: 346 51 397

DIRK SCHÖNLEBE

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