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Art Contemporary Berlin: Galeristenschau ABC: Hinten am Horizont

Wo Kunst und Film sich kreuzen: Die Galeristen-Ausstellung Art Contemporary Berlin gastiert im Marshall-Haus der Messe.

Konkurrenzveranstaltung? Das war gestern. Die Art Berlin Contemporary, kurz ABC genannt, das vor drei Jahren von den Erfindern des überaus erfolgreichen Gallery Weekend Berlin ins Leben gerufene Kunstevent im Herbst, ist diesmal sogar unter das Dach des Art Forums geschlüpft. „Um der Messe mehr Besucher zu bescheren“, wie Alexander Schröder mit einem Schmunzeln erklärt. 2011 zieht die ABC dann wieder weiter, nachdem sie im ersten Jahr im alten Postbahnhof am Gleisdreieck, danach in der Akademie der Künste logierte. Der Ortswechsel gehört zum Konzept, ebenso die immer wieder neuen Themenstellungen und die Berufung eines Kurators.

Diesmal ist die Galeristen-Ausstellung im Marshall-Haus einquartiert, einem 1950 im Rahmen der Internationalen Bauausstellung für die Amerikaner erbauten Pavillon. Caddys befördern die Besucher zum Architekturkleinod, das sich im hinteren Teil des Messegeländes befindet. Die Überraschung ist perfekt, denn hier eröffnet sich zugleich ein großartiger Garten. Tatsächlich könnte es eher umgekehrt sein: dass dem Art Forum so mancher Besucher abspenstig gemacht wird. Die ABC lockt mit einer exzellenten Ausstellung, während in den Messehallen das typische Tohuwabohu der Kojen und Galeriestände herrscht. Jeder buhlt um die Aufmerksamkeit, erhofft sich Verkäufe.

Den sechzig teilnehmenden Galeristen der ABC geht es nicht weniger um kommerziellen Erfolg, schließlich müssen auch sie eine Teilnahmegebühr bezahlen. Doch versuchen die Initiatoren der ABC ein neues Format auszuprobieren, das Modell Kunstmesse ist schon lange an seine Grenzen gestoßen. Dabei sind die Sonderausstellungen, die sich die Messen in den letzten Jahren zunehmend als Dreingabe für ihr Publikum gönnten, als am nachhaltigsten in der Erinnerung geblieben.

Auch mit „light camera action“, so der Titel der ABC-Schau im Marshall-Haus, dürfte es dem Messebesucher so ergehen. Die von Marc Glöde kuratierte Schau untersucht mit klugen Setzungen die Bedeutung des Films für die zeitgenössische Kunst. Nur schade, dass sie mit dem Ende der Messe auch schon wieder vorbei ist. Die lichte Architektur des Marshall-Hauses hat zwar ihre Tücken, wenn ausgerechnet abgedunkelte Räume benötigt werden. Doch passt das Wechselspiel von Licht und Schatten zum Thema, zumal der Grundriss des Gebäudes die Form einer Filmspule besitzt.

Zweifellos ist der Film für die Praxis der Künstler längst integraler Bestandteil. Das hat nicht zuletzt die jüngste Berlin Biennale gezeigt, deren Beiträge zur Hälfte aus Filmen bestanden. Glöde konnte sich bei den teilnehmenden Galerien der ABC die passenden Positionen auswählen, selbst Künstler benennen und so auch die zunehmende Verwebung der verschiedenen Techniken, die historische Entwicklung vorführen. In den siebziger Jahren begannen Anna und Johannes Blume Polaroids zu zerschneiden, um das Performative ihrer Selbstinszenierungen zu betonen (Galerie Buchmann, Berlin). Die große Minimalistin Hanne Darboven schrieb nicht nur sklavisch Blatt für Blatt ihre Zeitregister auf, sie filmte sie ähnlich unpathetisch auch ab (Galerie Klosterfelde, Berlin).

Die Ausstellung zeigt mal drastisch, mal behutsam, wie Malerei und Film zusammenwachsen, eine neue Einheit bilden. Übergriffig, ja grenzwertig war der schwedische Graffiti-Maler Nug mit seiner Kunst ohnehin. Einen Aufschrei löste allerdings sein nun auch auf der ABC präsentierte Film „Territorial Pissing“ aus, der den Künstler in einer U-Bahn inmitten von Fahrgästen am Werk zeigt (Galerie Senn, Wien). Die Belgierin Joelle Tuerlinckx dagegen malt höchst subtile abstrakte Bilder, die sie erst abfilmt und dann in einer hochtechnizistischen Installation präsentiert. Dazu ist die Geräuschkulisse während der Aufnahmen zu hören (Galerie Nächst St. Stephan, Wien). Auch Sound spielt eine Rolle.

Plötzlich fächert sich die ganze Bandbreite der Möglichkeiten auf. Die Künstler lassen sich heute nicht mehr auf ein einziges Medium festlegen. Eine Bildhauerin wie Isa Genzken fotografiert ebenso selbstverständlich. „Arriving in New York“ nennt sie ihre Fotoserie, die 2001 entstand. Sie trägt den Untertitel „Trailor for a film“. Auch die Sammler sollten ihren Horizont erweitern, so lautet die Botschaft der Galeristen.

Marshall-Haus, Hammarskjöldplatz, bis 7. 10.; 12-21 Uhr, So bis 19 Uhr. Die Ausstellung wird begleitet von einem Performanceprogramm im HAU2. www.artberlincontemporary.com

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