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Art Forum: Fusion, Vision, Konfusion

Im Dschungel der Schuldzuweisungen: Für das Scheitern der Kunstmesse gibt es viele Gründe - eine Spurensuche

Der Patient war schon länger krank. Anfälle von Schwäche wechselten mit Phasen euphoristischer Selbstüberschätzung und depressiver Verstimmung. Therapien wurden verordnet, schlugen aber nicht an. Von daher kann es gar nicht überraschen, wenn sich das Art Forum nun vom Kunstmarkt zurückzieht – „vorerst“, wie es vergangene Woche in einer eiligen Mitteilung der Berliner Messeleitung hieß. Dabei zeigt ein Blick nach Frankfurt oder Düsseldorf, dass Auszeiten, wie sie die „Fine Art Fair“ und die „dc contemporary“ 2008 genommen haben, auch das Ende dieser Messen waren.

Der kleine Unterschied: Beide Veranstaltungen gab es in ihrer damaligen Form gerade zwei Jahre. Das Art Forum dagegen hätte in diesem Herbst seinen 15. Geburtstag gefeiert. Da war viel Zeit, um über Missstände, ihre Ursachen und alternative Konzepte nachzudenken. Dass jetzt alle staunend auf das abrupte Ende schauen und sich gegenseitig mit Vorwürfen überziehen, ist eine Farce.

Den Anfang hat Christian Göke als Geschäftsführer der Messe Berlin gemacht. Eine „Durchführung des Art Forum Berlin 2011 ohne die Unterstützung derjenigen, für die wir es veranstalten“, sei kontraproduktiv, hieß es in seinem Statement zum vorläufigen Ende der Messe. Damit zeigt Göke unmissverständlich auf jene Akteure, mit denen die Messe seit Wochen verhandelte: die Galeristen, die unter anderem das Projekt „art berlin contemporary“ (abc) verantworten.

Schon vor Monaten hatten die Organisatoren angekündigt, dass die abc in diesem Jahr nicht parallel zum Art Forum stattfindet. Begründet wurde die Trennung mit dem späten Termin, mit dem man sich nicht arrangieren könne. Daraufhin entschloss sich die Messe zu einem revolutionären Schritt: Das Art Forum sollte die Messehallen verlassen und als „neues kommerzielles Ausstellungsformat“ mit der abc fusionieren.

Gescheitert ist die visionäre Idee am Ende an der Realität juristischer Formulierungen. In wessen Händen die organisatorische Hoheit liegt, an dieser Frage haben sich die Beteiligten wochenlang aufgerieben. Bis zur Kapitulation, die mit dem Rückzug beider Parteien endete. Bloß dass die abc wie geplant weitermacht, während das Art Forum 2011 gar nicht stattfindet.

Die Empörung ist groß, die Reaktionen reichen bis zur Behauptung eines „Kartells“, das die Kunstmesse planvoll sabotiert habe, um sich der Konkurrenz zu entledigen. Vergleichsweise sachlich meldete sich nun der Landesverband Berliner Galerien (LBG) zu Wort und formulierte, was man vor allem bedauern muss: „Dieser Beschluss schwächt den sensiblen und historisch besonderen Kunststandort Berlin empfindlich.“ Gleichzeitig kritisiert der Vorstand, „dass sich die Politik von separatistischen Platzhirschen des Galerienstandortes am Nasenring durch die Arena kultureller Heilsversprechen hat ziehen lassen.“

Nun muss man sich fragen, weshalb die Messe als landeseigene Gesellschaft ausgerechnet mit jenen Galerien verhandelt, die sich schon länger vom Art Forum losgesagt haben. Der alternative Kunsthandelsplatz abc resultierte ja gerade aus der Unzufriedenheit mit den Bedingungen am Messestandort. Dem wanderndem Termin zum Beispiel: Dass das Art Forum alle zwei Jahre einer weit lukrativeren Verkehrsmesse weichen musste, ist aus der kaufmännischen Perspektive der Messe Berlin nachvollziehbar. Dann aber wiegen auch die Argumente von Galeristen wie Esther Schipper schwer, die noch bis 2004 auf der Messe vertreten war und jedes Mal mehrere zehntausend Euro investierte. Wenn aber solchen Ausgaben kaum Einnahmen gegenüberstehen, ist das betriebswirtschaftlich auf die Dauer unverantwortlich. Wer jetzt den üblichen Verdächtigen – neben Schipper auch Max Hetzler, Neu, Klosterfelde oder Neugerriemschneider – unterstellt, sie hätten schlicht keine Lust mehr auf die Unterstützung des Standortes, der macht es sich zu einfach. Zumal das Art Forum immer wieder in unglückliche Nähe zu konkurrierenden Messen wie der Frieze in London oder der FIAC in Paris rückt, auf denen dieselben Galerien vertreten sind. Ein Messekarussell, das niemand auf Dauer will. Als Erstes wurde meist Berlin eingespart, weil es den beiden Konkurrenz-Standorten nicht gewachsen ist.

Londons Banker und die großbürgerliche Klientel an der Seine sind zwei triftige Gründe. Dass es der deutschen Metropole an beiden mangelt, kann man der Messe nicht anlasten. Wohl aber den absurden Rhythmus, der die Sammler immer wieder zum Abwägen gezwungen hat: Drei europäische Städte nacheinander bereisen, wer will das schon? Es sei denn, der Handelsplatz macht noch andere, attraktive Angebote.

Ein solches war lange der Berliner „Kunstherbst“. Es war der Versuch, das Angebot der hiesigen Museen und Kunstvereine zu bündeln und durch Talks und Führungen durch die Galeriequartiere anzureichern, um die Messe mit einem hochkarätigen Begleitprogramm zu flankieren. Von der finanziell geförderten Maßnahme ist nach 2007 ebenso wenig geblieben wie von privaten Sponsoren, die sich vom Art Forum einen repräsentativen Auftritt versprochen haben.

Umgekehrt war die Messe als Ereignis unzureichend im Stadtbild verankert. Wer einmal in Madrid die unzähligen Wimpel und Plakate gesehen hat, mit denen die Arco dort für sich werben kann, dem wird klar, dass das Art Forum in Berlin ein Einzelkämpfer war. Mehr Etat für besseres Marketing oder ein attraktiveres Vip-Programm oder ein Machtwort derer, die der Kunst ihren festen Platz im Messekalender hätten verschaffen können – solche Maßnahmen wären dem Art Forum weit besser bekommen als die personellen Intrigen zurückliegender Jahre und die Zerwürfnisse der Gegenwart. Denn eigentlich kann man sich auf die Anziehungskraft Berlins als Kunstmetropole verlassen, auch wenn der Kunstmarkt anderen Kriterien folgt.

Dass es ein schwieriges Jahr wird, ließ sich schon im vergangenen Herbst beim Rundgang ahnen, als viele nur halbwegs zufriedene Teilnehmer in ihren Kojen saßen und sich von Sammlern anhören mussten, sie würden sich Berlin nächstes Mal sparen. Darauf hat die Messeleitung viel zu spät reagiert und erst nach konzeptionellen Alternativen gesucht, als die Bewerbungen für 2011 beunruhigend spärlich eintrafen.

Vor allem ist ein Vakuum entstanden, weil sich von offizieller Seite niemand wirklich für das Art Forum stark gemacht hat. Wenn Christian Göke nun bitter beklagt, man habe stets Rücksicht genommen und sei „den Empfehlungen der Galeristen auch bei der Besetzung der künstlerischen Leitung ausnahmslos gefolgt“, dann haben die Verantwortlichen der abc demnach schon vor Jahren die Macht übernommen. Weshalb also hätten sie bei der Fusion nachgeben sollen?

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