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Kultur: Artenreichtum

Zehn Jahre ist Berlin vereint, die Republik wird fünfzig, ein neues Jahrtausend steht vor der Tür. Unbeirrt von so viel Zeitenwende drehen sich über der Stadt die Kräne, immer neue Baugruben werden aufgerissen.

Zehn Jahre ist Berlin vereint, die Republik wird fünfzig, ein neues Jahrtausend steht vor der Tür. Unbeirrt von so viel Zeitenwende drehen sich über der Stadt die Kräne, immer neue Baugruben werden aufgerissen. Das Architekturjahrbuch, Chronik der gerade fertiggestellten Bauten, ist inzwischen zur Institution geworden. Am Vorabend des neuen Jahrtausends aber baut die Berliner Architektenschaft weniger Symbolbauwerke mit überzeitlichem Geltungsanspruch - die errichten in erster Linie internationale Stars -, sondern vor allem Häuser, die aktuellen Bedürfnissen gehorchen: Wohnbauten, Schulen, Kindertagesstätten. Eine Alltagsarchitektur, die in ihren jüngsten Beispielen allerdings alles andere als alltäglich ist. Martin Kieren macht zu Recht den Ansatz zu einer "neuen Bilderfindung" im Bereich der Kultur- und Sozialbauten aus. Daß man von diesen "Bildern" wenig erblickt, liegt auch daran, daß einige der respektabelsten Arbeiten dieses Jahrgangs in der östlichen Periphiere verstreut sind, in Karow, Hohenschönhausen und Buchholz.Rolf Schneider entspinnt Szenarien für das Berlin des kommenden Jahrhunderts, Claus Käpplinger beleuchtet den "Artenreichtum" des zeitgenössischen Wohnungsbaus. Er reicht von Lückenschließungen im gründerzeitlichen Bestand mit single-gerechtem Wohnungsschnitt bis zu asymmetrischen Großformen im bis dato rechtwinkligen Berlin-Marzahn. Tagesspiegel-Redakteur Bernhard Schulz begibt sich auf eine imaginäre Wanderung vom heutigen Mendelssohn-Bartholdy-Platz zum Reichstag und blättert dabei die Bedeutungsschichten des Geländes zwischen Landwehrkanal und Ministergärten auf.Einem bisher eher unbeachteten Teil der Berliner Innenstadt wendet sich der Architekturhistoriker Wolfgang Schäche zu: Sein kenntnisreicher Aufsatz gilt dem Quartier um das ab 1902 von Ludwig Hoffmann errichteten großen Stadthaus an der Stralauer Straße sowie der Historie des Kuppelbaus selbst. Ein Beitrag Brigitte Jacobs zu den aktuellen Bau-Planungen in diesem Bereich stellt die Verbindung zur Gegenwart her. Neben Aufsätzen zur Städtebaugeschichte und der neuesten Berliner Architektur enthält das Jahrbuch erstmals einen vollständigen Katalog der 71 in der Jahresausstellung der Architektenkammer (Postfuhramt, bis4. Juli) vorgestellten Projekte von Berliner Architekten.

Architektenkammer Berlin (Hrsg.): Architektur in Berlin - Jahrbuch 1999. Junius-Verlag, Hamburg 1999. 175 Seiten, brosch. 68 DM.

FRANK PETER JÄGER

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