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Acryl-Gemälde "Straße 45".

© Gasag/Kaufhold

Atelierbesuch bei Carsten Kaufhold: Der Lichtsammler

Sommer in Berlin – und Carsten Kaufhold malt die Bilder dazu. Sie werden jetzt an zwei Orten gezeigt. Ein Atelierbesuch.

Über das Wetter kann sich Carsten Kaufhold an diesem Vormittag nicht beschweren. Ein prüfender Blick aus dem Atelier-Fenster. „Das ist so ein Tag, bei an dem ich sofort losziehen würde“, sagt er. Strahlend tiefblauer Himmel. Die Luft ist klar. In den Neuköllner Straßen tanzen unter Bäumen Schattenflecke und Lichtpunkte. Das ist die Stimmung, die der Berliner Maler liebt. Sie findet sich auf seinen Bildern wieder, die zurzeit an zwei Orten der Stadt ausgestellt sind: Im Kunstraum der Gasag und im Haus des Rundfunks beim RBB. Sie zeigen das unspektakuläre, alltägliche Berlin. Repräsentative Architektur und Sehenswürdigkeiten interessieren Carsten Kaufhold nicht. Stattdessen Straßenecken, Brandmauern, Brachflächen, Hinterhöfe. Fotorealistisch genau. Und immer mit diesem besonderen impressionistischen Licht, das die friedlichen Szenen in warme Töne taucht. Das ist schon sehr faszinierend. Berlin ist bei ihm alles andere als chaotisch, laut und schmutzig.

Kaufhold ist ein Flaneur. Sein Gesicht braun. Er scheint in letzter Zeit viel draußen gewesen zu sein. Mit einer Kleinbildkamera durchstreift er die Stadt, die Fotos sind Grundlage für seine Acrylbilder. Wann bleibt er stehen? Wann drückt er ab? Das wird er oft gefragt. Aber Kaufhold hat keine Antwort darauf. Manchmal zündet es, manchmal nicht. Was er weiß: „Bei bedecktem Himmel zündet nichts.“ Er braucht das Spiel von Licht und Schatten. Und ja, Kaufhold ist auf der Suche nach einem ästhetischen Moment. Nach klaren Linien, nach einer Ruhe im Bild. Menschen finden sich nur selten auf seinen Arbeiten, und wenn, dann nur schemenhaft. Man muss an Gemälde von Edward Hopper denken. Bei ihm steht die Zeit auch so seltsam still. Kaufhold hat nichts dagegen. Er verehrt den großen Amerikaner schon lange.

Kaufhold reagiert auf das, was ihn umgibt

Seine Motivwahl hat auch schon zu Missverständnissen geführt. Einmal wurde Kaufhold auf einer Ausstellung von Besuchern gefragt, ob er sich nicht vorstellen könne, auch ihr Privathaus zu malen? Der Künstler ist ein höflicher Mann, er fuhr hin. Schaute sich alles an. Fand jedoch keine Perspektive, die ihn gereizt hätte. Kaufhold ist kein Architektur-Maler, auch wenn in der aktuellen Schau im Gasag Kunstraum eine Berliner Einfamilien-Immobilie am Waldrand mit rotem Giebel und gefegter Einfahrt ausgestellt ist. „Ich reagiere auf das, was mich umgibt“, sagt er. Und das sind eben Häuser. Wenn man so will, dann ist er eigentlich ein Landschaftsmaler. Ein Stadtlandschaftsmaler. Und weil er das nun schon seit 15 Jahren macht, wird er langsam und ohne es je beabsichtigt zu haben, auch ein Chronist dieser Stadt. Viele Ecken, die er mit feinen Pinseln dokumentiert hat, gibt es so nicht mehr. Neukölln, der Bezirk, in dem er lebt und arbeitet, verändert sich besonders stark.

Carsten Kaufhold in seinem Neuköllner Atelier.
Carsten Kaufhold in seinem Neuköllner Atelier.

© Thilo Rückeis

Geboren wurde Carsten Kaufhold 1967 in Tempelhof. Studiert hat er an der Hochschule der Künste Berlin, der heutigen UdK, bei Professor Helmut Otto und F. W. Bernstein. Wobei, studieren ... „Ich kann nicht behaupten, dass mich das geprägt hat.“ Kaufhold zündet sich eine Zigarette an, der Rauch steigt an den vielen Stuck-Ornamenten und Leisten hoch. Einst führte ein Stuckateur hier in dem Ladenatelier sein Geschäft. Die Muster an den Wänden sind geblieben, das Schöne, das aus der Zeit Gefallene. Es passt sehr gut zu Kaufhold. „Als ich studiert habe, wollte keiner etwas von gegenständlicher Malerei wissen.“ Für ihn war das schon als Kind klar, dass er nur so arbeiten möchte. Der Künstler musste gegen den Strom der Abstraktion schwimmen. Und malt noch heute wie einst die Alten Meister. Kaufhold berechnet den Maßstab, legt die Fluchtpunkte an, er konstruiert mit Bleistift, Taschenrechner und Lineal auf minutiöse Weise die Vorzeichnung auf der Leinwand. Das Foto dient ihm dabei lediglich als Erinnerungsstütze. Die stürzenden Linien der Senkrechten auf der Fotografie richtet er lotrecht wieder auf. Dann beginnt er mit einer ersten Farbgrundierung. „Auf Weiß kann ich nicht malen.“ Oft wählt er dann einen Ockerton. Der gibt seinen Bildern diese charakteristische Wärme.

Die Sehnsucht nach dem Leben im Süden

Zum ersten Mal hat er jetzt was Neues ausprobiert. Kaufhold zeigt auf ein Bild hinter ihm an der Wand. „Muss ich noch sacken lassen. Weiß noch nicht, ob das so funktioniert“. Es ist eine Fantasie-Landschaft, eine Sonnenterrasse mit Blick aufs Meer. Ein pittoreskes Idyll, das man so in Berlin nicht findet. Fast nicht. Die Gründerzeitfassade hat sich Kaufhold bei einem Schöneberger Haus abgeschaut, die Balustrade an einem Geländer am Körnerpark bei ihm um die Ecke. Der Maler hat quasi Berlin ans Mittelmeer verfrachtet. Da spricht die ganze Sehnsucht nach einem Leben im Süden aus diesem neuen Bild. Ein Mann wie Kaufhold, der bei warmem Licht aufblüht, hält es im Winter in Berlin immer schlechter aus. Deshalb ist es auch so wichtig, dass er über die Sommermonate genügend Motive sammelt, die er dann in den dunkleren Tagen malen kann. „Bis Mai müssen sie reichen“, sagt er. Und macht sich an diesem Tag noch auf den Weg.

„Sonntag“, Gasag Kunstraum, Henriette-Herz-Platz 4, bis 8. Oktober 2016, Mo–Fr 10–18 Uhr; „Berlin x 2“ zusammen mit dem Maler Georg Dienz, Haus des Rundfunks, Masurenallee 8–14, bis 30. September 2016 (Bitte vorher im Haus des Rundfunks anmelden unter der Nummer: 030/97 99 31 24 97. Öffentliche Führung am 17.9. um 15 Uhr, keine Anmeldung erforderlich)

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