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Das Atrium String Quartet.

© Maria Budtova

Atrium String Quartet im Radialsystem: Tschaikowskys intimer Klang

Zum 175. Geburtstag von Tschaikowsky entscheidet sich das Radialsystem für Werk statt Vita: Das Atrium Quartett spielt drei späte Streichquartette des russischen Komponisten.

Wenn ein Komponist zum 150. Geburtstag geehrt wird, muss das nichts bedeuten – solche Anlässe werden vom Musikbetrieb aus purem Reflex begangen. Wird allerdings ein 175. Wiegenfest gefeiert, dann besteht wirklich Gesprächsbedarf – so wie bei Peter Tschaikowsky, der am 25. April 1840 geboren wurde. Vor allem der Blick auf das Privatleben des homosexuellen Musikers hat sich dramatisch verändert und lässt langsam das Ausmaß an Verdrängung und Verfälschung in Konzertführern, Biografien und Lexika erkennen. Doch schon allein die ungelöste Frage, ob Tschaikowsky zum Suizid gedrängt wurde, zeigt, wie schwierig es ist, ein klares Bild von den psychosozialen Bedingungen zu gewinnen, unter denen der Komponist lebte.

Das Radialsystem meidet bei seiner Geburtstagsfeier die Überforderung, indem es sich dem Komponisten von einer anderen vernachlässigten Seite seines Intimlebens nähert: der Kammermusik. Alle drei reifen Streichquartette Tschaikowskys stellt das in St. Petersburg gegründete Atrium Quartett vor, ergänzt durch das Sextett „Souvenir de Florence“. Zitate aus Briefen Tschaikowskis, die Helena Kolb im Licht einer Schirmlampe vorträgt, reißen rhapsodisch-assoziativ den facettenreichen Kontext an, in dem sich der Komponist bewegte. Seine Heimatliebe unterstreicht zudem das Pausenangebot mit Borschtsch, russischem Salat, Tee und Wodka.

Atrium String Quartet begeistert mit gereiftem Klang

Durchweg begeistert der gereifte Klang des Ensembles, der samtig, aber nicht plüschig, sonor verschmelzend, aber zugleich transparent und bei allem stets anstrengungslos natürlich wirkt. Vielschichtig emotional, aber nie sentimentalisierend verfolgen die Musiker die Entwicklung von der formal noch klassisch geprägten Eingebung des Erstlings in D-Dur hin zum komplexeren Quartett in es-Moll, dessen tragisches andante funebre zu einem Höhepunkt des Abends wird. Lediglich im Rhythmischen neigen die vier Instrumentalisten bisweilen zu einer gewissen Introvertiertheit – doch genau dieser Tendenz wirken der Bratscher Sergey Malov und der Cellist Mikayel Hakhnazaryan als Gäste im Sextett entgegen, das zum mitreißenden Ausklang der Feier wird.

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