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Kultur: Au weia, die Auen

Bernhard Schulz über Dresdens Unesco-Pleite

Dresden, so Lutz Vogel, der Erste Bürgermeister der Stadt, ebenso betroffen wie ratlos, drohe ein „erheblicher Prestigeverlust“ im Falle der Aberkennung des Unesco-Welterbestatus. Den hat zwar nicht die Stadt als solche zu verteidigen, wohl aber das in der Welterbeliste geführte „Mittlere Elbtal“, in dem Dresden den Mittelpunkt bildet, aber mit weiten Flächen ringsum.

Damit hat es die Stadt nicht so furchtbar ernst genommen. Munter hat sie das Ungetüm der „Waldschlösschenbrücke“ genannten Stadtautobahn quer durch die Auenlandschaft der Elbe geplant, darauf vertrauend, dass der „Canaletto-Blick“ auf ihr städtisches Herzstück mit der wiederaufgebauten Frauenkirche nicht tangiert werde. So viel Naivität, daheim wohl als Chuzpe gefeiert, kam indessen beim Unesco-Welterbekomitee nicht gut an, das das Mittlere Elbtal jetzt auf die „Rote Liste“ des „gefährdeten Erbes“ gesetzt hat. Peinlicher geht’s nimmer. Der Kulturstaat Deutschland, der mit Regensburg derzeit seine 32. Welterbestätte etabliert sehen möchte, muss sich von der Unesco-Weltgemeinschaft die Missachtung der damit verbundenen Verpflichtungen vorhalten lassen.

Die „städtebauliche Entwicklung Dresdens“ sei „keineswegs abgeschlossen“, warf nun auch noch Sachsens Innenminister Buttolo der Unesco hinterher – und unterstrich ungewollt, wie Recht der Weltkulturverband mit seiner Entscheidung hat. Denn wenn die schmückende Auszeichnung zu keinerlei Planungseinschnitten führt, wenn eine Auenlandschaft nichts weiter ist als Verfügungsfläche für Autoverkehrsgrößenwahn, dann ist die besondere Auszeichnung nur ein Fetzen Papier. Der Unesco-Welterbestatus zielt aber gerade auf die Bewahrung einer einmaligen historischen Situation. Mit dem Welterbetitel wird schon dem Wort nach deutlich, dass es sich um das Erbe der gesamten Menschheit handelt – mögen die eigensinnigen Dresdner sich auch breitere Autoschneisen wünschen.

Eine Möglichkeit, so Bürgermeister Vogel trotzig, sei es, auf den Welterbestatus zu verzichten. Nichts da. So einfach kann es sich die Stadt nicht machen. Wer einmal die Gunst der Unesco errungen hat, muss es sich gefallen lassen, dass die Weltgemeinschaft von da an genauer hinschaut. Und wenn es nur ein paar liebliche Flussauen fernab der Frauenkirche sind.

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