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Kultur: Auf Achse

Theatertreffen Berlin (1): die Geld-Debatte

Es gibt Menschen, die ziehen den Unmut auf sich, sobald sie anfangen zu reden. Thilo Sarrazin, Finanzsenator von Berlin und als solcher zum Sparen verurteilt, ist solch ein Mensch. Die müde Routine, mit der er Subventionszahlen und Kostendeckungsverhältnisse hervorkramt, um sie dann sofort ins Unverständliche zu vernuscheln; die Hemmungslosigkeit, mit der er spricht, ohne sich auf einen Dialog einzulassen; die demonstrative Langeweile, mit der er polemisiert („wenn es in Berlin aus Geldmangel keine Theater mehr gibt, fahr’ ich eben nach Hamburg“), kurz, die Mischung aus Institutionsmühlenschlaffheit und diskursiver Überheblichkeit ist schon sehr unappetitlich anzuschauen. Einerseits. Andererseits hat die Schmerzfreiheit, mit der Sarrazin sich zum Buhmann dieses Abends macht, durchaus ihren theatralischen Reiz.

Im so genannten Markenschaufenster des Autoherstellers BMW, Hauptsponsor des Theatertreffens, sollen Hortensia Völckers, künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, Ludger Hinsen von der Industrie- und Handelskammer, Schaubühnen-Intendant Thomas Ostermeier, Wilfried Schulz vom Schauspiel Hannover und Thilo Sarrazin zum Thema „Geist ist geil, ansonsten sparen wir uns das ganze Theater!“ diskutieren. Während im Hintergrund Werbefilme laufen und Hostessen Häppchen und Prosecco reichen, sagt Moderator Jens Jessen von der „Zeit“: „Es geht hier ums Geld. Es geht um den Legitimationsdruck der Theater bei knapper werdenden Kassen“, und stellt Thomas Ostermeier gleich die ketzerische Frage, was er sagen würde, wenn jemand seine Zuwendung mit dem Argument kürzte, die Auslastung sei zu niedrig.

„Es ist ja noch schlimmer“, antwortet Ostermeier und wendet seine grollende Stirn dem Senator zu. „Man redet ja gar nicht mit uns. Von der 600 000-Euro- Kürzung haben wir aus dem Internet erfahren.“ Sarrazin sagt: „Tja, Herr Ostermeier“ und nuschelt etwas. Während die beiden das Podium unter eine prickelnde Spannung setzen, können die anderen tun, wofür sie geladen sind: ernsthaft sprechen. Dabei werden zumindest einige lieb gewonnene Vorstellungen zertrümmert: Erstens sei gar nicht zu wenig Geld in den Kassen, wie der quicklebendige, scharfgeistige Ludger Hinsen sagt. Die Kulturausgaben betragen nur 1,79 Prozent des Landeshaushaltes. Zweitens, so Wilfried Schulz, sei sein Theater keine elitäre Veranstaltung für wenige, sondern auch voller Schüler. Woraus sich drittens ergibt, dass, nach Hortensia Völckers, mit dem doch vorhandenen Geld ein Pädagogikfonds gegründet werden soll, der junge Menschen nicht nur an die Bühne heranführt, sondern Theater zu einem Ort macht, an dem „man Sinn produzieren kann.“ Schlusswort Jessen: „Eine Gesellschaft, die nicht bereit ist, ihr Theater zu bezahlen, kann ich nur verachten.“ Der Werbefilm der BMW-Wärmekamera sagt dazu: „Vision bedeutet, das Unsichtbare zu sehen.“

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