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Kultur: Auf dem Herd

„Und abends Gäste“ in der Komödie am Ku’damm

Leute einladen – auf den Bühnen landauf und landab birgt das äußerste Gefahren, wenn nicht für Leib und Leben, so doch für einigermaßen erträgliches Zusammensein mit Partnern, Freunden, Vorgesetzten. So auch in „Und abends Gäste“, einer hurtigen dreiaktigen Plauderei des französischen Autorenpaares Agnès Jaoui und Jean-Pieree Bacri, aufgeführt in der Komödie am Kurfürstendamm. Kampfplatz ist die Küche. Alte Freunde, die sich seit zehn Jahren aus den Augen verloren haben, treffen sich wieder und schleppen das Damalige in die Aufgeregtheiten um Pistazien, Fisch, Kräutertee und Bier hinein. Was da im Herd bruzzelt, aus dem Kühlschrank gerissen, auf dem Tresen zubereitet und ausgetrunken wird, kocht gewissermaßen alte Zuneigungen und Animositäten wieder auf. Der sorgsam geplante Wohlfühlabend löst sich zusehends auf. Als das versalzene Essen und ein Poker-Abenteuer um abenteuerliche Summen einigermaßen überstanden sind, erkennen die Damen und Herren im Küchenzentrum, dass sich alles ändern muss, verzichten dann aber doch darauf: Die aufregendsten Gäste nämlich sind weg. Ein Chanson noch, eine sexuelle Anwandlung, dann darf das Licht ausgehen.

„Und abends Gäste“, 1990 in Paris uraufgeführt, lebt von einer anmutigen Leichtigkeit, die das Böse und Abgründige meidet. Zeugnisse einer ernsthafteren Wirklichkeit werden im sprühend heiteren Küchengeschehen wie zufällig zitiert. Der besondere Clou: Die zwei Gäste, um die sich alles dreht, treten gar nicht auf. Sie sind im „Wohnzimmer“, bleiben draußen. Weder den angeberisch überdrehten, vermögenden Fernsehstar noch die mit ihrer Geilheit souverän wirtschaftende Edelnutte bekommt der Zuschauer zu Gesicht. Dafür befeuern sie die Fantasie und liefern die Basis für die Geschichten der Männer und Frauen in der Küche.

Andreas Schmidt hat die Komödie mit Lust in Schwung gebracht und beschert den tapferen Kurfürstendamm-Theatern einen beachtlichen Erfolg. Anja Wegener baute eine von Designerehrgeiz geradezu schwitzende Küche und schuf damit den idealen Spielplatz für die fünf Helden. Die sind ständig in Bewegung, und wie dabei das Notwendige von Zubereitung, Geschirr- und Speisenmanagement mit dem Beiläufigen der persönlichen Beichten und Beziehungsabenteuer verschmolzen wird, hat artistische Eleganz. Auch wenn es Tränen gibt und verzweifelte Zusammenbrüche – das Leichte, Behände setzt sich durch. Julia Jäger verkörpert die Gastgeberin Martine mit einer trotzig gefärbten Nervosität, einer Lebensangst, die sich in turbulentem Aktionismus entlädt. Bettina Lamprecht stellt ihr die scheinbare Selbstsicherheit der Charlotte gegenüber, bringt eine schmale, fragile Frau auf die Bühne, die um Wirkung kämpft und dabei unsicher und unfrei bleibt. Unter den Männern behauptet sich besonders Steffen Münster als George – er zeigt einen klugen, uneitlen und wunderbar mürrischen Beobachter. Schließlich sichern Götz Otto als kantiger, hochgewachsener Gastgeber Jacques mit trutzig steifem Kinn und Tim Wilde als kleiner, agiler Pokerspieler Fred köstlich verschroben den Erfolg des Abends. Christoph Funke

bis 1. Mai täglich außer montags.

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