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Kultur: Auf den Kopf gestellt

Was die Museen zum Kunstherbst bieten.

Berlin – das ist die Stadt der Kunst, der Museen. Doch musste erst einmal das Scheitern einer Kunstmesse kommen, dass sich auch die Museen unter einem Dach vereinen und im Rahmen der Berlin Art Week zusammentun. Endlich! Gewiss, die Häuser zeigen nun das ohnehin vorhandene Programm, aber dem Besucher gibt es trotzdem einen Leitfaden an die Hand. Den Schwerpunkt bilden zeitgenössische Künstler und politische Themen. Die Welt steht dabei Kopf oder zumindest seitlich. Es ist die Welt des amerikanischen Installationskünstlers Paul McCarthy, der in der Neuen Nationalgalerie „The Box“ präsentiert. Bis 4. November können die Besucher einen Blick ins Studio des Künstlers werfen: In einer riesigen Holzkiste hat McCarthy Zeichentische, Leitern, Kartons und Aktenregale arrangiert – und sie um neunzig Grad gedreht. Kompakt, mobil, verschiffbar. „The Box“ ist auch eine Anspielung auf das Streben nach ultimativer Flexibilität.

Um verzerrte Wirklichkeit geht es auch in der Berlinischen Galerie: Die um 1920 entstandene Kunstform der Collage spielt mit den verschiedenen Arten der Realitätswahrnehmung. Auch in der zeitgenössischen Kunst wird sie wieder verstärkt verwendet. Unter dem Titel „ Manifesto Collage“ zeigt die Sammlerin Christiane von Salm Collagen unter anderem von Ceal Floyer, Ellen Gallagher und Thomas Hirschhorn (bis 17. September). Ebenfalls im Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur ist „The Way it is. Eine Ästhetik des Widerstands“ des chilenischen Künstlers Alfredo Jaar zu sehen (bis 17. September). Der chilenische Künstler setzt sich mit dem Verhältnis von Realität und Repräsentation auseinander. Die von der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) konzipierte Ausstellung widmet sich neben den spektakulären Werken Jaars in der Berlinischen Galerie auch dem Frühwerk des gelernten Architekten, das in der Alten Nationalgalerie untergebracht ist (bis 16. September).

Videoinstallationen mit einem politischen Ansatz findet man auch bei dem kürzlich mit dem Schering-Preis ausgezeichneten Ägypter Wael Shawky. Die KW Institute for Contemporary Art präsentieren die Ausstellung „El Arabia El Madfuna“. In seinen Filmen lässt der Regisseur und Videokünstler Kinder und Marionetten Krieg spielen und Attentate nachstellen. Auf plakative Statements verzichtet Shawky, stattdessen setzt er auf spielerische Verfremdungseffekte und eröffnet so vielschichtige Perspektiven.

Völlig ohne Verfremdung kommt die RAF-Schau „Die Toten“ von Hans-Peter Feldmann im Hamburger Bahnhof aus (bis 6. Januar). Der Düsseldorfer Konzeptkünstler sammelte seit den Sechzigern Zeitungsfotos, Namen und Sterbedaten ermordeter Geiseln, Terroristen und Zivilpersonen. Die auf DIN-A3-Format vergrößerten und chronologisch geordneten Abbildungen führen dem Betrachter schlicht, aber eindrucksvoll das Ausmaß des Terrors vor Augen. So ergründet Feldmann die verschiedenen Erscheinungsformen der Zivilisation.

Einem neuen gesellschaftlichen Phänomen widmet sich die Gruppenausstellung A Burnt-Out Case? in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (bis 14. Oktober). Junge Künstler wie Franziska Angermann, Henry Kleine und Karin Michalski setzen sich kritisch mit dem Stresssyndrom Burn-out auseinander und stellen die heutige Leistungsgesellschaft mitsamt ihrer Bereitschaft zur ständigen Grenzüberschreitung infrage. Dabei liefern sie keine Antworten, sondern Denkanstöße. Zum Nachdenken über sich selbst und die unmittelbare Umgebung lädt auch der Neue Berliner Kunstverein ein: Die Ausstellung Archipel (bis 4. November) des Berliner Architekten Arno Brandlhuber beschäftigt sich mit urbaner Umgestaltung im wiedervereinigten Berlin sowie mit internationalen Entwicklungen zum Thema Stadtentwicklung. Leonie Langer

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