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Kultur: Auf Großwildjagd

Painting, Palmen, Partys: die vierte Art Basel Miami Beach und der Glamour

Auch im strömenden Tropenregen stöckeln die Schönheiten auf ihren extrahohen Heels sicher und zielstrebig in die Arme von Samuel Keller, dem Direktor der Art Basel Miami Beach (ABMB). Schweizer Küsschen gibt es schon am Eingang zur Eröffnungsparty der Messe in Ian Schragers und Philippe Starcks Delano Hotel, dann schreiten die Glamourpeople der Kunstszene den längsten aller Catwalks hinunter, begleitet von ohrenbetäubenden Trommelwirbeln einer brasilianischen Band.

In ihrem vierten Jahr ist die von der Art Basel gegründete ABMB zum Superstar der internationalen Messen für zeitgenössische Kunst aufgestiegen. Mehr noch, sie ist der Treibstoff für einen von Jahr zu Jahr gigantischeren Kreativpool aus Kunst und Kitsch, Sound und Show, Luxus und Substanz. Für diese unwiderstehliche Verbandelung von Kultur und Kommerz scheint South Beach wie geschaffen zu sein. Sonne (die schon am nächsten Tag wieder scheint), Palmen, Pools und die himbeer-türkisfarbene, surreale Kulisse der Art-Déco Hotels entlang der Collins Avenue, in denen sich schon vor dem eigentlichen Beginn der Messe die Partys, Empfänge und Performances überschlagen, lösen jenes deliriös-wohlige Gefühl aus, bei dem sich Entspannung und Business ideal verbinden.

Rund um das Messezentrum des Convention Center, in dem 195 Top-Galeristen von São Paulo bis Tel Aviv und 54 weitere von Bogota bis Kopenhagen im etwas experimentelleren „Art Nova“-Sektor versammelt sind, gruppieren sich in diesem Jahr sechs (!) weitere Messen. Neben NADA (The New Art Dealers Alliance Fair) und Scope, die seit vergangenem Jahr existieren, sind es Pulse mit 48 Galerien, Aqua mit 36 US-Galerien, die Pool Art Fair mit Videoarbeiten und schließlich die von Immobilientycoon und Sammler Craig Robbins initiierte Design 05 in seinem Moore Building.

Hier präsentieren sich 15 renommierte Galerien wie David Gill aus London, der New Yorker Barry Friedman und Contrasts aus Shanghai, dazu weltbekannte Designer wie Ron Arad und Zaha Hadid. Nach der Annäherung von Kunst und Mode in den vergangenen Jahren scheinen sich nun auch Design und Kunst verstärkt zu verbünden. Sponsor BMW stellt in seiner ABMB-Lounge das firmeneigene Unternehmen Designworks USA vor, mit den Schwerpunkten Automobil und Transport-Design. Während der Münchner Konzern ebenso wie UBS und Bulgari, die Messe seit Jahren unterstützt, drängen immer mehr Lifestyle-Unternehmen wie Swarovski oder Perrier Jouet mit exklusiven Empfängen in den Dunstkreis der Kunst. Dieser schade das nicht, meint Samuel Keller: „Warum soll man sich nicht ernsthaft mit Kunst beschäftigen und zugleich Parties feiern können?“

Man könnte, wenn man über die Kondition und Disziplin eines Marathonläufers verfügen würde. Das bedeutet in diesem Jahr, sich Ausstellungen des deutschen Malers Albert Oehlen im Moca und die großartig düstere Schau des südafrikanischen Künstlers William Kentridge im MAC, einer von der venezuelanischen Mäzenin Ella Fontanals Cisneros gestifteten Ausstellungshalle, im Minutentempo einzuverleiben. Danach folgen am Strand ein schneller Gang zu den Containern mit jungen Künstlerpositionen (sehenswert Herwig Weiser bei Lisa Ruyter), ein Empfang der auf lateinamerikanische Kunst spezialisierten Zeitschrift ArtNexus im majestätischen Biltmore Hotel und ein Gute Nacht-Drink in der Skybar im Shore Club. Am nächsten Morgen steht ein kurzer Rundgang in den Kunst-Lagerhallen und Villen der Großsammler Margulies, Braman, Rubell und Rosa de la Cruz an, bevor sich um Punkt 12 Uhr die Messe für jene happy few öffnet, die den ersten Zugriff auf die begehrten Trophäen in den Kojen haben.

Und wieder geschieht, was seit ein, zwei Jahren in diesem Moment jedes Mal auf Kunstmessen passiert: Hochkultivierte Menschen werden zu gierigen Hyänen, die im Eiltempo zu jenen Ständen rasen, in denen Werke von Labelkünstlern der Stunde angeboten werden. Gemälde von Martin Eder, Neo Rauch, Uwe Kowski, David Schnell sind bei Eigen + Art (Berlin/Leipzig) nach dreieinhalb Stunden ausverkauft – zu Preisen von 60 000 Dollar (Eder) bis 250 000 Dollar (Rauch). Bei David Zwirner (New York) war ein Bild von Daniel Richter nach kürzester Zeit für 250 000 Dollar vergeben, bei Hauser & Wirth (Zürich/ London) schienen 375 000 Dollar für eine Skulptur von Paul McCarthy – nun ja wie „Peanuts“. Nicht einmal Mega-Preise wie die 1,8 Millionen Pfund für einen Pillenschrank von Damien Hirst bei Jay Jopling spielen auf der ABMB eine große Rolle, wo am Premierentag David Rockefeller, Steve Wynn, Jane Holzer oder David Teiger shoppen gehen. Doch es gibt auch Arbeiten, die jenseits des Hypes berühren: zum Beispiel die Videoprojektion „Life evil“ (50 000 Dollar) des amerikanischen Künstlers Paul Pfeiffer bei Projectile, New York. Sie zeigt Michael Jackson bei einem Konzert in Budapest als tanzenden Freak, dessen Körper Pfeiffer in den flatternden Schatten eines Monsters verwandelt hat.

Noch hält der Markt das Gleichgewicht zwischen Euphorie und Overkill. So global wie in Miami Beach ist er nirgends, nicht einmal auf der Londoner Frieze Art Fair. Wahrscheinlich wird sich der Handel künftig mehr und mehr unter Gesichtspunkten von Moden selektionieren: Trends wie „Porn Chic“ – Verleger Benedikt Taschen war die Publikation „Artists and Prostitutes“ von David LaChapelle eine eigene Party wert – werden von anderen abgelöst.

Gleichzeitig könnten starke Einzelpositionen wie Janet Cardiff, deren „Walk Book“ die famose Francesca von Habsburg produzierte, zu Klassikern werden. Beim Essen nach der Buchvorstellung planschte eine barbusige Meerjungfrau im Pool des Raleigh Hotels, später spielte die legendäre Punkband The New York Dolls am Strand – und spätestens da war es wieder, das einzigartige ABMB-Feeling: Let’s party for a piece of art!

Art Basel Miami Beach Convention Center, bis 4. Dezember, www.artbaselmiamibeach.com.

Eva Karcher

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