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Kultur: Auf Händen getragen

Ein schöner Rahmen für eine schöne Frau: Cecilia Bartolis umjubelter erster Auftritt mit dem Berliner Philharmonischen Orchester und Daniel Barenboim beim "Mozartfest" wurde flankiert von zwei Werken, die jeweils eine Seite der Diva spiegelten.Mit der Uraufführung eines ganz überraschend zarten, ja zärtlichen Stücks zeitgenössischer Musik begann der Abend.

Ein schöner Rahmen für eine schöne Frau: Cecilia Bartolis umjubelter erster Auftritt mit dem Berliner Philharmonischen Orchester und Daniel Barenboim beim "Mozartfest" wurde flankiert von zwei Werken, die jeweils eine Seite der Diva spiegelten.Mit der Uraufführung eines ganz überraschend zarten, ja zärtlichen Stücks zeitgenössischer Musik begann der Abend.Im Auftrag der Berliner und des Chicago Symphony Orchestra hat Wolfgang Rihm ein Notturno für dirigierenden Pianisten und kleines Ensemble geschrieben, das geradezu programmmusikalisch den Titel "Sotto voce" - leise, gedämpft - in sommernächtliche Klänge umsetzt, die immer wieder an Ravel, an den frühen Schönberg erinnern.Ein Paradestück für die Philharmoniker, für Spitzenmusiker mit feinem Gespür für instrumentale Licht- und Schattenspiele.

Als Kontrast dazu nach der Pause Mozarts "Linzer" Sinfonie, von Barenboim zur imaginären Theatermusik aufgepeitscht: Knallig in den Ecksätzen, großgefühlig im Adagio - Gute-Laune-Klassik mit perfektem Oberflächenglanz.Und dazwischen: La Bartoli, die Unwiderstehliche, in weißgepunkteter Caterina-Valente-Robe.Doch nicht nur das Kleid erinnert an die Entertainment-Primadonna der 50er Jahre, da ist auch dieses wunderbar offene Lachen, die urkomische Mimik, da ist diese Mischung aus Professionalität und Natürlichkeit, die selbst den halsbrecherischsten Koloraturen eine Aura des Selbstverständlichen, Spontanen gibt.Cecilia Bartoli ist eine begnadete Volksschauspielerin: Virtuos wandelt sie immer haarscharf am Rande des Chargierens, läßt sich hemmungslos von den Gesangstexten, vom funkelnden Farbenreichtum ihrer Stimme mitreißen, girrt die Marcellina-Arie aus dem "Figaro" im Turteltäubchen-Ton, seufzt steinerweichend in den Alternativ-Arien der Susanna, die Mozart den Diven seiner Zeit in die Kehle legte, verschmachtet schier im "Idomeneo"-Rondo - und der Saal liegt ihr zu Füßen, das Orchester trägt sie elegantissimo auf Händen.Cecilia Bartoli macht süchtig.Und sprachlos.FREDERIK HANSSEN

Was ist eigentlich ein "Mozartfest"? Aus dem Blickwinkel des höfischen Zeitalters besehen, bekundet ein Fest stets die Größe seines Veranstalters, dient seiner Selbstbestätigung und Verherrlichung.Von einem festlichen Publikum kann man erwarten, daß es sich diesem Ziele pflichtschuldig unterwirft.Nach einem geringen Zugangsgeld (bis 180 Mark) konnte man in der Philharmonie auch am zweiten Abend des Mozartfestes die Berliner Philharmoniker und die Staatsoper als Veranstalter feiern.Und vor allem Daniel Barenboim, ohne den es das Mozartfest ja gar nicht geben würde.Passend dazu stand Mozarts Krönungsmesse auf dem Programm.Im Solistenquartett wirkte erneut Cecilia Bartoli mit, und es gelang der Mezzosopranistin allein, ihrer Partie einen Ausdruck von Wärme und Erfüllung zu verleihen.Im "Agnus dei" variierte sie ihr sanftes Bitten anmutig und mit kostbarer Zerbrechlichkeit.

Leider fanden die Solisten nie zu einem harmonischen Zusammenklang, zum erlösenden gemeinsamen Atmen."Nur" ein Besetzungsfehler oder hätte hier mehr Probenarbeit auch eine größere künstlerische Geschlossenheit des Ensembles ermöglicht? Deutlich unter Wert mußte sich an diesem Abend auch der RIAS-Kammerchor verkaufen.Natürlich klang dieses Spitzenensemble gut, doch seinen Nuancenreichtum, der sonst immer aufhören läßt, suchte man vergeblich.Er war einfach nicht gefragt.Daniel Barenboim war zu sehr damit beschäftigt, den Eindruck flotten Musizierens zu erwecken, und kümmerte sich wenig um Details.Heraus kam dabei eine Krönungsmesse, die nichts war als repräsentativ: Gepränge anstelle neuer Mozart-Klänge.Krönung light - halb soviel Gehalt bei vollem Soundausgleich.

Sicher hat Daniel Barenboims intuitive Mozartsicht auch ihre hypnotischen Momente.Im Allegro des Klavierkonzerts KV 482 entfaltet er von Flügel aus mit den Philharmonikern sündhaft edle Töne.Doch die fehlende Geläufigkeit seiner Tastaturläufe mündet allzu oft in emotionalen Drückern.So brachte er das Andante durch melancholisches Gründeln zum völligen Stillstand.Ein Mozart ohne Haltung, festlich verbogen.Natürlich gab es Jubel in der Philharmonie.Die Veranstalter, sie sollen leben.

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