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Kultur: Auf Lesereise

Vor kurzem hat sich ein findiger Kollege die Mühe gemacht, nachzuforschen, was eigentlich aus dem vor dem Jahrtausendwechsel so beliebten Namenszusatz „2000“ geworden ist. Fazit: nicht viel.

Vor kurzem hat sich ein findiger Kollege die Mühe gemacht, nachzuforschen, was eigentlich aus dem vor dem Jahrtausendwechsel so beliebten Namenszusatz „2000“ geworden ist. Fazit: nicht viel. Die Zahl ist aus dem Stadtbild praktisch verschwunden. Nur hie und da stößt man auf Überreste, so zum Beispiel im Fall der Galerie 2000 (Knesebeckstraße 56-58) von Wolfgang Chrobok. Wobei sowohl „Galerie“ als auch „2000“ ein wenig in die Irre führen: Der Laden, der sich dort nun schon seit Jahrzehnten unverdrossen am unfeinen Ende der Knesebeckstraße über Wasser hält, zählt zu den schönsten Kunstbuchhandlungen Berlins. Das Angebot ist riesig, reicht vom Bildband über chinesische Tonmasken bis zu Paul McCarthy – und damit ist das Spektrum nur ansatzweise umrissen. Wer hier auf der Suche nach einem Buch nicht mindestens eine Stunde verbringt, der hat es entweder sehr, sehr eilig oder ist in einem Geschäft wie diesem fehl am Platz.

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Auch sonst hat sich die Gattung Kunstbuchhandlung in den letzten Jahren in Berlin prächtig entwickelt. Da ist natürlich der Bücherbogen am Savignyplatz, neben Chroboks Buchladen die Mutter aller Kunstbuchhandlungen: ungefähr so umfassend sortiert wie die Galerie 2000, vielleicht mit etwas anderer Gewichtung (Tendenz: Architektur, Design) und ebenso suchtfördernd (Stadtbahnbogen 593) . Außerdem liefert der Bücherbogen eine schöne Überleitung zur Untergattung „Kunstbuchhandlung im Museum“, schließlich ist man in der Neuen Nationalgalerie und in der Sammlung Berggruen präsent. Nachdem es lange Zeit so aussah, als würden die Berliner Museen völlig ohne Bücher auskommen, hat sich auch in der Hinsicht eine Menge getan. Mittlerweile hat fast jedes Museum einen eigenen Bookshop, besonders zu empfehlen wären der im Martin-Gropius-Bau (zum Herumstöbern), in der Berlinischen Galerie (Ausstellungskataloge) und im Hamburger Bahnhof (Zeitschriften plus eine große Auswahl an reduzierten Exemplaren).

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Selbstverständlich darf in einem Resumee der Berliner Kunstbuchhandlungen Barbara Wiens Laden nicht fehlen. Nirgendwo anders lässt sich so mit Händen greifen, dass Kunstbücher, bibliophile Editionen und wunderbare Einzelstücke alle irgendwie zur selben Familie gehören (Linienstraße 158) . Nicht zuletzt wegen ihrer Aktivitäten rund ums Bücherverkaufen herum sind zwei andere Läden eine Klasse für sich . B-Books in Kreuzberg (Lübbener Straße 14) und Pro qm (Alte Schönhauser Straße 48). Letzterer nennt sich mit vollem Namen „Thematische Buchhandlung zu Stadt, Politik, Pop, Ökonomiekritik, Architektur, Design, Kunst & Theorie“ und wer dabei ein bisschen an seine Unizeit denkt, liegt nicht ganz falsch. Hier trifft sich das intellektuelle Mitte-Bürgertum regelmäßig zu gut besuchten Buchpräsentationen. Ein Blick auf die ersten vier der Top 100 der meistverkauften Bücher bei Pro qm hilft, das Terrain abzustecken: „Empire“ (Platz 1), „Hier entsteht. Strategien partizipativer Architektur und räumlicher Aneignung“ (Platz 2), „Verschwende deine Jugend – ein Doku-Roman zum deutschen Punk und New Wave“ (Platz 3) sowie Rem Koolhaas’ „Content: Rem Koolhaas“ (Platz 4).

Ulrich Clewing

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