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Kultur: Auf Sand gesetzt

Einer von 309: Der prämierte Architektur-Entwurf zur Topographie stapelt tief

Gefordert war die Quadratur des Kreises. Entstehen soll auf dem ehemaligen PrinzAlbrecht-Gelände ein funktionales, sachliches, neutrales Gebäude, also ein Bau, der nichts behauptet. Und der hinweist auf ein Gelände, das längst nicht mehr ist. Das nur noch aus Schutt- und Sandbergen besteht, die die Berliner Bauverwaltung dort zurückließ, als sie vandalengleich die Versorgungstürme für Peter Zumthors Topographiebau abriss und das Gelände „verwüstete“, wie Topographie-Chef Andreas Nachama es bei der gestrigen Vorstellung der neuen Entwürfe formuliert.

Der Zweck dominiert die Form: Die Ausschreibung zum dritten Architekturwettbewerb der Topographie des Terrors war bis in die Sprachregelung hin eine Absage, ja eine Kriegserklärung an Peter Zumthors zuvor so spektakulär gescheiterten Entwurf. Man wolle „keine metaphorische Überformung des Geländes“ mehr, so der Juryvorsitzende Nikolaus Hirsch, keine „künstlerische Überhöhung“ des Themas. Schlichtheit ist das Gebot der Stunde. Und Pragmatismus.

Brauchbar, nutzbar, bezahlbar wird der nun ausgewählte Entwurf des Berliner Büros Heinle Wischer & Partner sein, wie alle Beteiligten zufrieden konstatieren. Baukosten von maximal 20 Millionen Euro, eine Bauzeit von zwei Jahren, und möglichst schnell anfangen will man auch. Schon ist der Planungsauftrag an das Architekturbüro ergangen, schon hat der Bund, der sich die Kosten mit dem Land Berlin zur Hälfte teilt, für seinen Haushalt 2007 eine Verpflichtungserklärung über vier Millionen Euro eingestellt, für 2008 und 2009 sind je sieben Millionen in Aussicht gestellt.

So bescheiden wie die Ausschreibung ist denn auch der Sieger-Entwurf geworden, der gemeinsam mit allen 309 eingesandten Entwürfen nun bis 17. April im Gropius-Bau zu sehen ist. Ein quadratischer Klotz, der die Gestalt des benachbarten Gropius-Baus zitiert, in Form einer oberirdische Ausstellungsetage, verkleidet mit einem leichten Metallgitter. Die Arbeits- und Forschungsräume sind ins Kellergeschoss versenkt, „denn forschen heißt: in die Tiefe gehen“, so die entwerfende Architektin Ursula Wilms. Das Gelände der Topographie soll, so der Landschaftsarchitekt Heinz Hallmann, eine Steppe werden, mit einer Kies-Sandfläche, die die historischen Spuren wie Küchentrakt und Keller erkennbar lässt. Eine „Architektur ohne Eigendarstellung“, so Wilms.

Etliche der anderen eingereichten Entwürfen zeigen jedoch, was auch möglich gewesen wäre. Ein monolithischer Bau im Zentrum des Geländes, malerisch in das bestehende Robinienwäldchen eingeschrieben – eine zu starke Konkurrenz zum Gelände, befand die Jury. Ein Gebäuderiegel entlang der Niederkirchner Straße, parallel zur dort noch sichtbaren Berliner Mauer und zum jetzigen Ausstellungsgraben der Topographie – eine zu starke Konkurrenz zu den Mauerresten, so die Jury. Axel Schultes schlägt in seinem Entwurf eine Verlagerung des Baus zur Wilhelmstraße vor, von wo aus er das Gelände östlich begrenzt – wahrscheinlich zu kühn für die Jury.

So ist nun ein Entwurf gewählt, der sich wegduckt unter den Anforderungen, in räumlich bedrückend enger Nachbarschaft zum Gropius-Bau, der als formaler und räumlicher Bezug ohnehin zweifelhaft ist. Ungelöst bleibt das Grundproblem, dass auf dem Gelände selbst nicht mehr viel zu erkennen ist: An die hässliche NS-Nutzungsgeschichte des Prinz-Albrecht-Palais erinnern nur noch Küchen- und Zellentrakte. Nichts mehr zu sehen ist auch von der Nachkriegsgeschichte des Verdrängens und Vergessens an diesem Ort, nichts von dem dort jahrzehntelang bestehenden Autodrom und den Schuttbergen der Kreuzberger Flächensanierung. Und natürlich erst recht nichts von Zumthors unglücklichem Entwurf, der als „Baugeschichte Objekt weitergehender Reflexion bleiben wird“, wie Berlins Kultursenator Thomas Flierl orakelt.

Stattdessen soll es nun ein „funktionales“ Gebäude sein und der Nutzung „angemessen“, lautet das Dekret. Doch so etwas wie neutrale Architektur gibt es nie, erst recht nicht bei diesem Thema. Und bloß angemessen ist zu wenig, an diesem Ort und jedem anderen. Die Topographie mag sich mit Recht freuen über die Aussicht, bald endlich in richtigen Räumen agieren zu können. Für die Architektur in Berlin und in Deutschland jedoch ist es ein Armutszeugnis.

Gropius-Bau, bis 17. April, Mi bis Mo 10 bis 20 Uhr. Katalog 20 Euro. Am 14. März, 20 Uhr, stellen die Architekten ihren Siegerentwurf im Gropius-Bau vor (Eintritt frei)

Christina Tilmann

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