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AUF Schlag: Ohne Bullshit

Rainer Moritz sehnt sich nach dem Unverfälschten

Nein, ich will das nicht mehr. Nein, ich habe genug davon, ständig mit Beigaben, Prämien, Give-Aways oder Supplements behelligt zu werden. Ich will – auch wenn das wertkonversativ klingen mag – zurück zur Natur, zu den simplen, unverfälschten Dingen. Deshalb stehe ich ganz auf der Seite der tschechischen Biermarke Pilsner Urquell, die seit kurzem ihr vorzügliches Produkt erfreulich klar bewirbt: „Ohne Lemon. Ohne Cranberry. Ohne Bullshit“. Genau so soll es sein, und vielleicht darf ich hoffen, dass sich die Welt doch zum Besseren wendet. Dass ich keinen Grapefruitsaft mehr im Weizenbier vorfinde, keine essbaren Veilchen- oder Ringelblumenblüten auf meinen Tagliatelle herumliegen, Romane ohne CDs ausgeliefert werden, Theaterschauspieler nicht mehr genötigt werden, Gesangsdarbietungen einzustudieren, Politikerinnen sich nicht für Hochglanzmagazine räkeln und mein Café ums Eck darauf verzichtet, jedes Heißgetränk mit Zimt- oder Schokopulver zu bestreuen.

Es geht um die Kernkompetenz, das weiß eigentlich jeder Marketingnovize. Es geht darum, den Leuten keinen Sand in die Augen zu streuen und nicht an ihre niedrigen Schnäppcheninstinkte zu appellieren. Warum zum Beispiel legt das Bekleidungshaus, dem ich hin und wieder Onlineaufträge erteile, jeder Lieferung eine Rolle Fruchtbonbons bei, die zudem ein unangenehmes Gaumengefühl hinterlassen? Warum zwingen mich Zeitschriftenmacher dazu, ständig beigelegte oder aufgeklebte CD-Roms zu entfernen, und verschaffen mir, wenn ich den Schrott ins Altpapier gebe, überdies ein schlechtes Ökogewissen? Ich habe die Schnauze voll von Rabattmarken, von „Goodies“ und „Give-aways“, von alten „Merian“-Heften, die neuen „Petra“-Ausgaben zwangsbeigefügt werden. Und meinem Autohändler rate ich dringend davon ab, mich mit der Rückfahrkamera „Rear Assist“ zu behelligen, die ich beim Kauf eines Navigationsgeräts zu erstehen hätte, ob ich will oder nicht. Das beleidigt mich persönlich, schließlich stärkt es meine Männlichkeit, wenn ich allabendlich das innerstädtische Einparkmanöver aus eigener Kraft bewältige.

Und weil die Feiertage vor der Tür stehen: Mein Weihnachtsbaum wird wie ein Weihnachtsbaum aussehen, und nicht wie das Vorzeigeobjekt einer Porzellan- oder Feuerwerksmanufaktur. Also keine Glastropfen, keine Kugeln mit Engelshaar, keine Clip-Schmetterlinge, keine fluoreszierenden Tannenzapfen, wo es doch, wie beim Bier, auch ganz einfach geht: Bienenwachskerzen, einfarbige Christbaumkugeln, Äpfel, Nüsse, Feierabend. Und wehe, wenn mein Geflügelhändler versuchen sollte, mir den Kauf einer Weihnachtsgans durch eine Zugabe – Hasenschlegel gratis zur Einstimmung auf Ostern – schmackhaft zu machen! Kein Beitext, kein Subtext, Klartext ist angesagt, bullshitloser Klartext.

Reden und handeln wie Müntefering, das ist die Losung für 2008.

Rainer Moritz

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