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Kultur: Aufbauen, abreißen, aufbauen

Steffen Richter staunt über Architekturmotive in neuen Romanen

Architekten eignen sich offenbar besonders zum Gesellschaftsroman. Wenn es also ums große Ganze gehen soll: um Aufbau, Umbau oder Abriss eben die Beschaffenheit unseres sozialen Gehäuses. Schon 1959 ließ Heinrich Böll in Billard um halb zehn sehr symbolträchtig gleich drei Generationen der Architektenfamilie Fähmel an der Kölner Abtei Sankt Anton arbeiten. Auf der anderen Seite der Elbe verfasste Brigitte Reimann etwas später ihr wildes sozialistisches Architektur-Epos Franziska Linkerhand.

Nun also Ulf Erdmann Ziegler. Fast möchte man sagen, hier ist ein Meister vom Himmel gefallen. Gewiss, Ziegler ist seit langem ein renommierter Kritiker von Kunst, Literatur, Musik und vor allem Fotografie. Doch dass ein Kunstkenner mit einem stilistisch ungeheuer dichten Roman debütiert, ist keineswegs selbstverständlich. Hamburger Hochbahn (Wallstein) erzählt von dem Architekten Thomas Schwarz, der in Lüneburg aufwächst, seine Jugend in Braunschweig verbringt und schließlich nach Hamburg geht. Nun begleitet er seine Frau auf einer Reise in die USA und hat ausgiebig Zeit, über die bundesdeutschen siebziger und achtziger Jahre nachzudenken. Ziegler liest heute (20 Uhr) im Literarischen Colloquium (Am Sandwerder 5) aus seinem fabulösen Zeitroman.

Zu den prominentesten Opfern des Spanischen Bürgerkriegs zählt Federico García Lorca. Weniger bekannt ist der Fall des José Robles Pazos, seines Zeichens Übersetzer des ersten modernen Großstadtromans: Manhattan Transfer von John Dos Passos. Hier allerdings geht es auch um Stalin, der bekanntlich mit seinem politischen Reinheitswahn unter den Franco-Gegnern wütete. Robles wurde 1937 nicht von spanischen Nationalisten, sondern vom sowjetischen Geheimdienst verschleppt und umgebracht. Nun rollt Ignacio Martínez de Pisón in seinem halb dokumentarischen Roman Der Tod des Übersetzers (Hoffmann und Campe) die Tragödie wieder auf. Vorgestellt wird das Buch am 9.5. (19 Uhr 30) im Instituto Cervantes (Rosenstr. 18-19).

Dos Passos deutsches Pendant in Sachen Großstadtroman ist vor 50 Jahren gestorben. Aus diesem Anlass lädt die Akademie der Künste (Pariser Platz 4) am 13.5. zur großen Alfred-Döblin-Nacht. Ab 19 Uhr gibt es Lesungen mit Reinhard Jirgl, Katja Lange-Müller und Uwe Timm sowie ein Gespräch zwischen Günter Grass und Ingo Schulze.

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