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Kultur: Aufbauen statt Abreißen

Architekturpreise für ein Museum und ein Schloss.

Ein Staatspreis für Architektur? Wird jetzt wieder von der Obrigkeit verordnet, was staatstragende Baukunst sein soll und welche Architekten mit dem Wohlwollen bei Hofe rechnen dürfen? Die Bedenken sind insofern unbegründet, als der Staat nur einen von sieben Preisrichtern stellt. Das Bundesbauministerium war 2011 als Mitauslober eingestiegen, als der ursprünglich seit 1971 von der Ruhrgas AG vergebene Preis vakant war und die Bundesarchitektenkammer sich nicht in der Lage sah, das Vorhaben aus eigenen Kräften fortzuführen. Neben dem Präsidenten der Bundesarchitektenkammer und einem Redakteur des Fachblatts „Bauwelt“ dominieren vier freie Architekten das Gremium, darunter der Preisträger von 2001, David Chipperfield. Freilich gehören alle dem etablierten Architekturbetrieb an. So fehlen denn auch Kategorien für Nachwuchsarchitekten oder für vielversprechende experimentelle Ansätze, die einem Staatspreis gut zu Gesicht stünden.

Den Gewinner dieses Jahres, das Kunstmuseum Ravensburg, hatte kaum jemand auf der Rechnung, ein kleines Museum in der oberschwäbischen Provinz, zehn Kilometer nördlich des Bodensees. Anlass für den Bau war eine Privatsammlung, die der Stadt als Dauerleihgabe offeriert wurde, eine exquisite Kollektion von Expressionisten. Bedingung wie so oft: Ein Museum müsse dafür gebaut werden. So kam das Angebot eines Bauunternehmers gelegen, den Bau privat zu finanzieren und langfristig an die Stadt zu vermieten.

Den Bauwettbewerb gewannen die Architekten Lederer, Ragnarsdóttir, Oei (LRO) aus Stuttgart mit einem Entwurf, der scheinbar so gar nichts mit der pittoresken Ravensburger Altstadt aus verputzten Giebelhäusern zu tun hat – und doch zu überzeugen weiß. Die Architekten entwarfen einen archaisch wirkenden Kubus, der mit den historischen Wehranlagen korrespondiert. Ein Backsteinbau mit eingebauter Patina sozusagen, denn er besteht aus recycelten Ziegeln, die mit ihrem flammenden Farbspiel eine wunderbar lebendige Oberfläche zeigen. So scheint die beredte Fassade ihre eigene Geschichte zu erzählen. Die Säle der Obergeschosse präsentieren in einer atemberaubenden Ausstellung Expressionisten von Heckel bis Kirchner sowie, unter dem wunderbar geschwungenen, unverputzten Ziegelgewölbe, die Farbfeuerwerke der Nachfolger in den fünfziger Jahren, vor allem der Künstlergruppen CoBrA und SPUR. Es ist ein im besten Sinn der Kunst dienendes, die Einfachheit zelebrierendes Haus. Zudem setzt das Museum ökologische Maßstäbe, denn es nimmt das Prädikat „weltweit erstes Museum im Passivhaus-Standard“ für sich in Anspruch.

Neben dem mit 30 000 Euro dotierten Hauptpreis hat die Jury fünf mit jeweils 4000 Euro verbundene Auszeichnungen vergeben. Die denkmalgerechte Erweiterung des Hambacher Schlosses (Max Dudler), der Neubau der Kulturstiftung des Bundes in Halle an der Saale (Dannheimer & Joos Architekten) und die energetische Sanierung eines Einfamilienhauses in Aachen (Amunt Architekten) wurden ausgezeichnet, dazu das Berliner Büro Staab Architekten gleich zweimal, für die Sanierung eines Hochhauses der TU Darmstadt aus den sechziger Jahren und für das Museum der Bayerischen Könige in Hohenschwangau.

Das Preisgericht gab also deutlich zu verstehen, worum es für die Architekten derzeit zu gehen hat. Stadtreparatur, Denkmalpflege, nachhaltige Ertüchtigung von Bestandsbauten statt Abriss und Neubau. Dazu wäre noch der innerstädtische, bezahlbare Wohnungsbau zu nennen, doch davon, so klagte ein Jurymitglied, war unter den Einreichungen zu wenig zu finden. Die Preisverleihung durch den Minister Peter Ramsauer findet am 12. Juni im Bundesbauministerium statt. Falk Jaeger

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