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Wo die Liebe hinfällt. Installation von Anthea Hamilton und Nicholas Byrne im Schinkel-Pavillon.

© Courtesy the artists

Aufblas-Kunst im Schinkel-Pavillon: In der Schwebe

Das britische Künstlerpaar Anthea Hamilton und Nicholas Byrne präsentiert unter dem Titel "LOVE" seine Gemeinschaftarbeiten.

Geht man an ihnen vorbei, zittern sie wie lebendige Wesen. Vielleicht flögen sie mit dem Wind davon, wenn der Schinkel- Pavillon kein Dach hätte. Im Kunstverein mit dem achteckigen Schauraum beginnt mit Anthea Hamilton und Nicholas Byrne eine neue Ausstellungsreihe zum Thema Künstler-Kollaborationen. Das britische Paar macht mit seinen prallen Aufblasobjekten den Anfang. Hamilton hat sich mit groß dimensionierten Skulpturen einen Namen gemacht. Ihre Zeichensprache ist auffällig frech – wie der nackte Männerhintern, der in ihrer letzten New Yorker Ausstellung aus einer Ziegelmauer ragte. Bei Byrne, dem feinnervigen Maler und Zeichner, verflechten sich gegenständliche Motive zu undechiffrierbar-abstrakten Kompositionen.

Seit 2009 arbeiten die beiden, die auch privat ein Paar sind, gelegentlich zusammen und überschreiben ihre Werke mit dem Gruppentitel „LOVE“. An seiner Serie sogenannter Inflatables – auch Andy Warhol und Jeff Koons lieferten Beispiele der Aufblaskunst – arbeitet das Duo seit drei Jahren. Ausgangsidee sei ein Heißluftballon gewesen, erzählt Anthea Hamilton: Gratisflüge fürs Publikum. Das Projekt wurde nicht realisiert. „Aber der Grundgedanke blieb, dass Luft und Luftraum niemandem gehören“, sagt die Künstlerin. Für Hamilton/Byrne ist Luft eine Metapher für Demokratie.

Entsprechend beschränkt sich bei dem britischen Duo „Liebe“ nicht auf individuelles Paarungsverhalten. Es geht um die Gesellschaft, um Liebe als Utopie. Schon Robert Indiana, der die berühmt-bunte Typografie aus „LOVE“-Lettern schuf, hatte diese Vision. Aber ist die öffentliche Demonstration privater Zuneigung nicht ein Widerspruch in sich? Die Künstler laden jedenfalls zum Flanieren zwischen unterschiedlichen Objekten ein, die wie Figuren in einer stummen Performance wirken.

Ihre sechs Inflatables bilden eine leicht schwankende Architektur. Das größte Exemplar ist schwarz, reicht fast bis zur Decke und trägt ein Weintrauben-Motiv des Fotografen Robert Mapplethorpe. Ein weiterer Kubus ist bis auf die weiße, mit Süßigkeiten bedruckte Schauseite durchsichtig; außerdem sind Brancusi-Skulpturen und eine Schere zu sehen sowie ein Comic-Mund, der die Zunge herausstreckt. Für Anthea Hamilton geht es bei der beliebigen Motivauswahl um die Wandelbarkeit der Bilder, die „klein, groß, riesig“ sein können.

Dabei bleibt in der Schwebe, ob es sich bei den luftgefüllten Objekten nun um Skulpturen oder Bilder handelt. Das Geben und Nehmen, das Für und Wider in der Zusammenarbeit des Paares hat sich in die Form eingeschrieben. Ein Solokünstler hätte solche Werke kaum konzipieren können. Auch von daher: ein starker Auftakt für die Ausstellungsreihe „Porzellan und Vulkan“ zum Thema Kollaborationen, die sich zum Gallery Weekend im April mit Shahryar Nashat und Adam Linder fortsetzt.

Schinkel-Pavillon, Oberwallstr. 1, bis 4. 4.; Do bis So 12–18 Uhr.

Jens Hinrichsen

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