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Kultur: Auflagenkunst: Werkgenossenschaft

Das Konzept klang überzeugend: Der Berliner Kurator und Kunstkritiker Peter Funken wollte unter dem Label "Art-on" im Internet eine Plattform für digitale Kunstprojekte und Informationen rund um den Berliner Kunstbetrieb schaffen, der sich über den Verkauf von Kunst im Netz finanzieren sollte. Aber in der Praxis funktionierte das nicht - bisher hat Funken noch keine einzige Grafik online verkaufen können.

Das Konzept klang überzeugend: Der Berliner Kurator und Kunstkritiker Peter Funken wollte unter dem Label "Art-on" im Internet eine Plattform für digitale Kunstprojekte und Informationen rund um den Berliner Kunstbetrieb schaffen, der sich über den Verkauf von Kunst im Netz finanzieren sollte. Aber in der Praxis funktionierte das nicht - bisher hat Funken noch keine einzige Grafik online verkaufen können. Was ursprünglich als Sprung in den E-commerce gedacht war, ging deshalb jetzt zurück in die reale Welt der Berliner Galerienszene: Mit "Art-on.Club" bespielt Funken in der Sophienstraße eine neue Adresse für Auflagenkunst in Berlin. Wie eine Galerie funktioniert der als Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingetragene "Art-on.Club" allerdings nicht, eher wie eine Aktiengesellschaft oder eine Genossenschaft. Ähnlich dem Prinzip der renommierten Hamburger "Griffelkunst-Vereinigung", die ihren zahlenden Mitgliedern Auflagenkunst offeriert, bietet auch "Art-on.Club" nach einer Einlage von mindestens 250 Mark seinen Mitgliedern den Erwerb von Kunstwerken zu besonders günstigen Konditionen. Je mehr Teilhaber zusammen kommen, desto bessere Möglichkeiten hat Funken als künstlerischer Leiter und Geschäftsführer, Kunst - vor allem Editionen - einzukaufen. Noch befindet sich der Club in einer Aufbau- und Investitionsphase, spätestens zur Kunstmesse "art forum berlin" Anfang Oktober aber will Funken verstärkt Mitglieder werben und mit seinem ungewöhnlichen Finanzierungskonzept in die Offensive gehen.

Das Ausstellungsprogramm begann mit einer neuen Werkgruppe von Johan Lorbeer. Der Berliner Künstler, der mit seinen Performances als lebende Skulptur bekannt wurde, zeigt eine Kollektion überarbeiteter Fotografien (1500 Mark). Lorbeer fand die meist beschädigten schwarzweißen Studioaufnahmen 1992 auf indischen Flohmärkten und ließ sie von einem professionellen indischen Retuscheur bearbeiten und kolorieren. Nichts Ungewöhnliches für indische Verhältnisse. Dennoch sehen die abgebildeten Personen seltsam entstellt aus: Gesichter wurden konturiert, Haartollen mit dem Pinsel übertrieben vergrößert, Hemden und Kleider in bunter Farbigkeit übermalt, während die Hintergründe unter plattem Grau verschwanden.

Die ästhetische Zurichtung durch die malerischen Zutaten, die aufgesetzte, aber schlecht sitzende Maske aus unbekannter Hand ergibt einen kruden Medienmix, der an ganz Grundsätzliches rührt: das Verhältnis von Bild und Mensch, die Frage nach Ähnlichkeit, Schönheit und Referenz und nicht zuletzt auch nach der kulturellen Differenz zwischen Indien und Europa. Dabei wirken diese Bilder vor allem durch ihre Uneindeutigkeit: Sie sind unscharf, weder genau zu datieren, noch einem Ort zuzuordnen oder gar der Person nach zu identifizieren. Und gerade dieses Nicht-Wissen ist es, das uns zwingt, die Bilder anders zu lesen und die Kategorien zu verschieben. Nicht wie üblich um Identifikation jenseits des Bildes geht es dabei, sondern um Definitionen der medialen Eigenschaften des Bildes.

Ronald Berg

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