zum Hauptinhalt

Kultur: Aufruf in Ohnmacht

Lange haben sie geschwiegen, die regimekritischen Belgrader Intellektuellen.Jetzt, unter den Bomben der NATO, kommt die erste öffentliche Verurteilung der "ethnischen Säuberungen" im Kosovo.

Lange haben sie geschwiegen, die regimekritischen Belgrader Intellektuellen.Jetzt, unter den Bomben der NATO, kommt die erste öffentliche Verurteilung der "ethnischen Säuberungen" im Kosovo.Es ist eine vorsichtige Verurteilung mit vielen Einschränkungen, verschickt per e-mail an Redaktionen und Organisationen in der ganzen Welt.In der Heimat kann selbst der zaghafte Versuch nicht veröffentlicht werden, denn dort herrschen Kriegsrecht und Zensur.Die Intellektuellen halten sich in ihrem Appell weitgehend an die offizielle Linie.An erster Stelle erfolgt die Verurteilung der NATO-Intervention, im gleichen Atemzug als Ursache für die Vertreibung von Menschen innerhalb Jugoslawiens und über die Grenzen hinaus ausgemacht.An zweiter Stelle dann die explizite Kritik an den "Jugoslawischen Einheiten" wegen der Deportationen der Kosovo-Albaner.Doch damit hat es sich dann auch schon.Im dritten Satz wird die "Kosovo-Befreiungsarmee" für die Gewalt, ausgeübt gegen Serben, moderate Albaner und Angehörige anderer Volksgruppen, verurteilt.Weiter unten im Appell werden die albanischen Rebellen und die serbischen Einheiten als zwei Parteien in einem Konflikt dargestellt.Die NATO habe mit ihrer militärischen Intervention das Regime in Belgrad gestärkt und die demokratischen Kräfte geschwächt, kritisieren die Belgrader Intellektuellen.Das restriktive Informationsgesetz oder das repressive Universitätsgesetz wurden aber schon Monate vor den ersten NATO-Bomben verabschiedet.Die NATO-Intervention ist inzwischen einen Monat alt.Der unerklärte Krieg der serbischen Einheiten gegen albanische Dörfer im Kosovo dauert allerdings schon mehr als ein Jahr an.Davor mußten die Kosovo-Albaner zehn Jahre lang das serbische Apartheitsregime erdulden.Dies war den Belgrader Intellektuellen noch keinen Appell wert.Sie fordern jetzt den Westen auf, wieder mit Milosevic über eine politische Lösung zu verhandeln.Wie eine Lösung ausschauen könnte, steht nicht im Appell.Der Aufruf erscheint als Hilferuf der Ohnmächtigen, die selbst auch keinen Ausweg mehr sehen.27 Persönlichkeiten, Universitätsprofessoren, Vertreter von ehemals unabhängigen Medien oder von Hilfswerken haben unterschrieben.Interessant ist auch, wer nicht unterzeichnet hat.Natascha Kandic zum Beispiel vom Menschenrechtsfonds oder Sonja Biserko von der Helsinki Föderation sind nicht dabei.Beide haben nicht erst gestern entdeckt, daß im Kosovo Krieg ist.Die beiden Frauen und ihre Organisationen engagieren sich seit Jahren für die Menschen im Kosovo.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false