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Kultur: Aufstehen zum Aufstand

Yves Grevets finstere Internatsutopie „Méto“.

Es ist kein Internat, eher ein Straflager mit Lehrbetrieb. Rund 60 Jungen sind in dem Haus auf der Insel untergebracht, bewacht von Soldaten. Der Unterricht ist archaisch: Schweinezucht, Imkerei und Fischen. Fragen sind nicht erlaubt, und jeder noch so kleine Verstoß gegen das Regelwerk wird mit martialischen Strafen geahndet, bis hin zum Arrest in der Kältekammer. Schwarze Pädagogik statt schwarzer Künste: Yves Grevets französische Jugendbuch-Trilogie „Méto“ ist eine Art Anti-Rowling: eine düstere Dystopie, in der die Adoleszenz zur Folter wird.

Der erste Band der Trilogie ist unter dem Titel „Das Haus“ erschienen und überrascht durch seine emotionslose Grundstimmung. Abgestumpft folgen die Jungen dem Unterricht, schlucken Medikamente und prügeln beim Kampfsport aufeinander ein. Erinnerungen an die Zeit, bevor sie auf die Insel gekommen sind, hat niemand. Nur zu gerne glauben sie, dass das Leben draußen die Hölle ist: „Du hast großes Glück, hier zu sein. Wir schlafen in warmen, sauberen Betten und essen, bis wir satt sind.“ Mit diesen Sätzen begrüßt auch Méto, der zu den älteren Schülern gehört, einen Neuankömmling. Trotzdem schart er eine Gruppe von Aufrührern um sich. Eine Revolte bricht aus, und plötzlich nimmt dieses Buch derartig Fahrt auf, dass einen das Ende des ersten Teils wie ein Faustschlag trifft: „Fortsetzung folgt“. Allerdings: erst im Herbst.

Literarische Bezüge? Ein Zerwürfnis innerhalb der Aufständischen auf der Insel kündigt sich an, wie in William Goldings Klassiker „Herr der Fliegen“, und es könnte sein, dass das Schulgefängnis Teil eines medizinischen Experiments ist, so wie das Internat in Kazuo Ishiguros Roman „Alles, was wir geben mussten“ oder die Forschungseinrichtung in James Camerons TV-Serie „Dark Angel“. Zumindest im ersten Teil wird das Geheimnis nicht gelüftet. Vielleicht liegt dieses Jugendbuch gerade deshalb im Trend.

Das „System der Unterwerfung“, gegen das die „Widerständler“ aufbegehren, trägt bei Grevet so wenig ein Gesicht wie der Kapitalismus, gegen den zurzeit Menschen in Europa und den USA Sturm laufen – obwohl sie warme Betten haben und sich satt essen können. In diesem Sinne müsste man das Jugendbuch „Méto“ in eine Reihe stellen mit Stéphane Hessels „Empört Euch!“ oder dem Pamphlet „Der kommende Aufstand“. Kolja Mensing

Yves Grevet: Méto. Das Haus. Aus dem Französischen von

Stephanie Singh.

dtv/Reihe Hanser, München 2012.

217 Seiten, 14,95 €.

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