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Auktion: Der Titan und die Babypuder-Erbin

Die Altmeister-Auktionen in London überzeugten mit musealen Sensationen und lange verschollenen Werken.

War der Markt der Altmeisterauktionen dieser Woche nun strotzend vor Kraft oder eher schwächlich? Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass der Gesamtumsatz aller Londoner Auktionen mit der alten Kunst zum ersten Mal seit Jahren wieder die Contemporary Art aus dem Feld schlug, die eigentlich längst den Löwenanteil am Kunstmarkt für sich beansprucht. Alte Kunst für 78 Millionen Pfund wurde verkauft.

Der Londoner Handel hatte Flagge gezeigt und in den Galerieausstellungen der „Masterpaintings“- und „Masterdrawings“-Woche das Beste ausgestellt, was derzeit auf dem Markt ist. In den Auktionen gab es museale Sensationen und verschollene Werke. „In fünf Jahren hatten wir nicht so viele Menschen bei der Vorbesichtigung in unseren Räumen“, freute sich Christie’s Chefexperte Richard Knight nach der Abendauktion im voll besetzten Saal. Aber als es dann an die Analyse ging, sahen die einen auf Preisrekorde und die Ausreißerpreise, andere auf nicht erfüllte Taxen und Lose. Bei Bonhams gab es einen Lautenspieler von Jacob van Oost, der 50 000 Pfund geschätzt war und 625 000 Pfund brachte. Eine Rom-Vedute mit Engelsbrücke wurde für 1,3 Millionen Pfund verkauft. Ursprünglich als Arbeit von Andrea Locatelli katalogisiert, wurde das Bild kurz vor der Auktion als Giuseppe Zocchi erkannt – dasselbe Bild, ein teurerer Maler.

Bei Sotheby’s erzielte Jusepe de Riberas dramatischer „Prometheus“ einen Rekordpreis. Ein italienischer Connaisseur bezahlte für den in seiner Qual verkrampften Titan aus der Sammlung der Babypuder-Erbin Barbara Johnson Piasecka 3,8 Millionen Pfund (4,5 Mio. Euro) – die dreifache Taxe. Auch Pieter Brueghels Kindermord wurde mit 4,6 Millionen Pfund teurer als erwartet. Ribera und Brueghel seien mit ihrer emotionalen Direktheit attraktiv für Sammler, die ihre Kunsterfahrungen aus dem 20. Jahrhundert beziehen, erklärten die Sotheby’s-Experten. Bei Christie’s war das Porträt eines jungen Mannes von dem Florentiner Giuliano Bugiardini unter den Ausreißern. Nur wenige kennen den Maler, aber das Gemälde ist so gut, dass es einmal als Raffael-Selbstporträt galt. Fünf Bieter steigerten das Werk, bis es mit 825 250 Pfund die Schätzung vervierfachte.

Der Fra Bartolommeo der Cooke- Sammlung brachte mit 2,2 Millionen Pfund zwar einen Rekordpreis, aber hier war beim Bieten wenig Leidenschaft zu spüren. War das Bild zu groß für eine intime Heilige Familie? Und warum konnte sich der New Yorker Händler Otto Neumann die große Venedigvedute von Michele Marieschi mit dem Innenhof des Dogenpalasts für 2,2 Millionen Pfund sichern, wo die Schätzung bis 3 Millionen ging und das Bild dem Handel zufolge „fantastisch“ war? Wirklich nur, weil Venedigbilder ohne Wasser nicht so gut gehen?

„Der Markt ist wie immer“, resümierte Sotheby’s-Spezialist George Gordon. Die Käufer sind wählerisch, gehen aber fürs Begehrliche übers Limit. So blieb auch das Paar „coffre en tombeau“ in geschmacklich herausfordernder Sargform, eines der ersten Möbel seit Jahren, das mit Sicherheit von Andre-Charles Boulle stammt, von dem die kunstvolle Marketerie aus Zinn, Messing und Schildpatt den Namen hat, mit 2,6 Millionen Pfund unter Taxe. Aber es landete wenigsten da, wo es hingehört: Käufer war das Amsterdamer Rijksmuseum.

„Sammler tun, was sie immer tun. Sie kaufen Kunst und lassen sich vom Wirtschaftsgeschehen nicht abbringen“, zog Sotheby’s-Chairman Henry Wyndham die Bilanz der Woche.

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