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Auktionen: Alte Meister in der Wirtschaftskrise

Sichere Werte statt Spekulationsobjekte: In London wird ab diesem Sonnabend wieder die These getestet, dass jetzt, wo der Markt für die neue Kunst ins Wackeln gekommen ist, rosige Zeiten für die Alten Meister anbrechen.

Über 40 Handzeichnungs- und Altmeisterhändler laden zu ihren Galeriewochen. Sie zeigen Neuentdeckungen, machen Ausstellungen zu kunstgeschichtlichen Themen oder breiten einfach nur das Beste aus ihren Beständen aus. Kunstfreunde, Sammler, Museumskuratoren kommen, schauen und kaufen. In der Galerie Clovis Whitfield gibt es Renaissancekunst wie einen Andrea del Sarto für 7,2 Millionen Pfund. Der Zeichnungshändler Lowell Libson hat für 155 000 Pfund eine fantastisch detaillierte Mondlandschaft, gezeichnet 1868 von dem britischen Entdecker und Künstler James Nasmyth – Plein-air Malerei durchs Teleskop. Auch die Auktionshäuser haben für die Auktionen die besten Stücke reserviert: so die Madonna mit Kind von Fra Bartolommeo aus der Sammlung Cook. Bei Christie’s soll das großformatige Bild des Kollegen von Michelangelo und Raffael zwei bis drei Millionen Pfund kosten. Eine eher bescheidene Schätzung.

Darbende Contemporary Galeristen sahen in letzter Zeit neidisch auf Altmeisterhändler wie Johnny van Haeften, der mitten in der Krise sein „bestes Jahr in 33 Jahren Handelsgeschichte“ hatte. Haeften handelt mit alter Kunst, bei der es noch guten Nachschub gibt: holländische Malerei des „goldenen Zeitalters“. Sotheby’s gut erhaltene Version des „Bethlehemitischen Kindermord“ von Pieter Brueghel d.J. dürfte ihn interessieren, die 2,5 bis 3,5 Millionen Pfund kostet. Seit Gunter Sachs sein „Brigitte Bardot“ Porträt von Andy Warhol gegen ein Gemälde von Brueghel eintauschte, gilt Brueghel als attraktiv für zum Altmeistersegment bekehrte Zeitgenossen-Sammler. Auf diesen Bildern ist etwas los, und die Preise sind, weil es Brueghel immer wieder gibt, berechenbar. Sogar russische Sammler sind eingestiegen, weil sie sehen, dass Alte Meister stabiler sind. Sie steigen nicht so schnell, aber sinken auch nicht so schnell.

Man muss das aber cum grano salis nehmen: Einmal zeigten die Londoner Auktionen soeben, dass durchaus noch Leben im Markt für die neueste Kunst ist. Sammler wie Christian Boros, die mehrfach beteuerten, sie würden nun auf Alte Kunst umsatteln, können von der Neuen doch nicht lassen: Auf der Biennale in Venedig bestellte Boros eine Installation des argentinischen Netzknüpfers Tomas Saraceno. Recht bedacht eignet sich der Markt für Alte Meister schlecht für Trendschnüffler, die dem Farbenrausch des here and now ergeben sind. Ihr Motto hing Anfang der Woche in der Contemporary Auktion bei Phillips hinter Versteigerer Simon de Pury: „That was then, this is now“, Ed Ruschas großes Schriftbild von 1989, das für 713 250 Pfund versteigert wurde.

Was könnte man in der Londoner Altmeisterwoche für so viel Geld kriegen? Eine Handvoll guter Altmeisterbilder, denn im Vergleich mit der neuen Kunst sind sie oft erstaunlich billig. Oder den bunten Drachentöter Sankt Georg des kastilischen Malers Jorge Inglés aus dem 15. Jahrhundert (400 000-600 000 Pfund bei Sotheby’s) oder, mit etwas Glück, die venezianische Maskenballszene des Francesco Guardi mit ihrer von Tanz, Klatsch und Intrigen bewegten Menge (800 000 bis 1,2 Mio. Pfund).

Anders als bei den Produktlinien von Reyle, Hirst oder Prince, die man aus hundert Meter Entfernung erkennt, werden hier Raritäten versteigert, die seit Jahrhunderten behütet und gefeiert werden. Sie verschwinden in Privatsammlungen, dann tauchen sie wieder auf, werden mal für mehr oder weniger hohe Summen an neue Generationen weitergereicht. Jedes Werk steht für sich selbst und seine Geschichte. Die kraftvoll illuminierte Lebenschronik des Kaiser Sigismund von Eberhard Windeck eignet sich nicht für die Präsentation im Scheinwerferlicht, auch wenn sie 2006 unvermutet in der Berliner Europarat Ausstellung über das Heilige Römische Reich auftauchte. Mit 174 Buchmalereien ist sie bei Sotheby’s auf eine bis 1,5 Millionen Pfund angesetzt. Oder das Paar „Coffres en Tombau“ vom Möbelmacher des Sonnenkönigs, Andre-Charles Boulle. Die sargähnlichen Truhen mit ihrer schimmernden Dekoration aus Messing, Zinn und Schildpatt sind bei Christie’s für 2,5 bis 4 Millionen Pfund zu haben. Im coolen Boros-Museum würden sie einen wahrhaft exzentrischen Akzent setzen.

Altmeister sind keine Alternative für Kunstspekulanten. Ihre Tugend ist ihre Erhabenheit über Trends und Moden. Sie sind auch weniger von Finanzkrisen und Nachfrageschwankungen bestimmt, als man glauben würde. Der Markt ist nicht von der Nachfrage abhängig, sondern vom Angebot. „Wenn die Bilder nicht gut sind, wird die Auktion auch in der besten Wirtschaftssituation schlecht“, erklärt Sotheby’s Spezialist George Gordon. Man verkauft nicht, weil die Kunst teuer ist, oder kauft, weil sie günstig ist. Die Bilder kommen auf den Markt, weil jemand stirbt. Und sie werden gekauft, weil sie von hoher Qualität und zu haben sind.

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