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Auktionen: Die Chinesen kommen

Christie’s und Sotheby’s verblüffen mit den ersten Auktionen im neuen Jahr. Altmeister und Wein sind die verlässlichen Größen der Häuser.

Christie’s Chef Ed Dolman, eigentlich ein umsichtiger, abwartender Mann, gab sich diese Woche optimistisch. Der Kunstmarkt, prophezeite er, stehe vor dem neuen Aufschwung, auch der Zeitgenossen-Markt, der im Krisenjahr 2009 am schlimmsten betroffen war: 59 Prozent gingen die Auktionsumsätze Christie’s auf diesem Gebiet zurück, weil das Auktionshaus, wie auch die Konkurrenz Sotheby’s, das Angebot von Kunst in seinen Auktionen drastisch reduzierte.

Nun aber sprach Dolman sogar von der Rückkehr der Preisgarantien, die in den Boomjahren bis 2008 den Hochpreismarkt erst anheizten und die Auktionshäuser, als Ende des Jahres dann das Vertrauen einknickte, auf vielen Millionen Dollar Verlusten sitzen ließen. Bei einer Garantie wird dem Einlieferer ein Mindestpreis versprochen. Findet sich in der Auktion kein Bieter, dann muss das Auktionshaus selber einspringen. Christie’s will dieses Risiko in Zukunft auf mehrere Schultern verteilen – also auf andere Sammler oder Händler, die sich schon vor der Auktion bereit erklären, die Kunstwerke oder Anteile daran zu übernehmen.

Warum gibt sich Dolman so zuversichtlich? Das vergangene Jahr fiel für Christie’s eben doch nicht so schlecht aus wie befürchtet. Ende 2008, als die Krise begann, sagte Dolman ein „Blutbad“ voraus. Mitarbeiter wurden entlassen, Man erinnerte sich des großen Kunstmarkt- Crashs von 1990, als die Umsätze schlagartig um die Hälfte zurückgingen und Impressionisten mehrere Jahre kaum verkäuflich waren. Nun gab Christie’s die Umsatzzahlen für 2009 bekannt, und der Rückgang betrug nur 34 Prozent – dank Spitzenpreisen in der Yves-Saint-Laurent-Auktion vergangenen Februar, dank des Raffaels, der im Dezember für fast 30 Millionen Pfund verkauft wurde, und dank 381 anderer Meisterwerke,die über eine Million Dollar kosteten. Misst man den Einbruch in Pfund, Christie’s Hauswährung, waren es sogar nur 24 Prozent.

Dolman erklärte auch, wo die Stärke herkommt: Die These, dass die Globalisierung den Kunstmarkt unverwüstlicher macht, hat sich bewahrheitet. Denn vor allem Chinesen kamen zu Hilfe – sie kauften nach dem Wertvolumen in 2009 mehr Kunst auf dem globalen Markt als je zuvor und treten zunehmend auch als Käufer oder Unterbieter von westlicher Kunst auf. 94 Prozent mehr gaben Chinesen bei Christie’s für Kunst aus, so das Auktionshaus. 2008 stellten sie noch 20 Prozent des globalen Umsatzes. 2009 waren es schon 35 Prozent. Eine erstaunliche Zahl. Die Erholung beginnt nun von oben – bei den besten und teuersten Werken.

„Wir haben einen Markt für Meisterwerke“, sagt Dolman. Man sah es diese Woche bei den Altmeisterauktionen in New York. Christie’s eigenes Angebot war eher bescheiden, nur acht Werke kamen über eine Million Dollar, und fast zwei Fünftel der Werke erfüllten nicht den Mindestpreis. Nicht einmal das größte Altmeisterbild, das Christie’s je versteigerte – ein über sechs Meter breiter, dramatischer Landschaftsschinken von Hubert Robert, der einmal im Schloss des Verlegers William „Citizen Cane“ Randolph Hearst hing. Das Getty Museum ersteigerte für 4,5 Millionen Dollar das teuerste Werk: Die feine Volksszene Louis Léopold Boillys vor dem Pariser Gartencafé „Jardin Turc“ am Boulevard du Temple.

Sotheby’s Auktion hatte 14 Werke im Wert von über einer Million. Die riesige, etwas unzüchtige Verführungsmythologie nach Ovid von Hendrik Goltzius wurde von einem europäischen Sammler für 6,8 Mio. Dollar übernommen – weniger als die untere Taxe. Ein Blatt mit zwei brillant schnell gemalten, bärtigen Männerköpfen von Anthonis van Dyck brachte 7,2 Millionen Dollar. Der Rembrandt, der mindestens acht Millionen Dollar kosten sollte, wurde kurz vor der Auktion zurückgezogen – vielleicht weil die Käufer, wie Sotheby’s Experte George Wachter sagte, „extrem preisempfindlich bleiben“? Dies galt allerdings nicht für die gerichtsbekannte Kopie von Leonardo da Vincis „Belle Ferronière“: Sie verdreifachte die Schätzung wider alle Vernunft und wurde für 1,5 Million Dollar einem privaten amerikanischen Sammler verkauft. Man ahnt am Rundum-Erfolg der Auktion, warum die Altmeister im letzten Jahr nach den Christie’s-Statistiken, zusammen mit Wein, der einzige Sektor im Auktionsmarkt mit stabil wachsendem Umsatz waren.

Wirklich auf die Probe gestellt wird Ed Dolmans Aufschwungthese nächste Woche, wenn die Londoner Prestigeauktionen beginnen. Christie’s Spitzenlos ist eine mit 5,5 bis 7,5 Millionen Pfund ehrgeizig angesetzte Zigeunerin von Kees van Dongen, es gibt ein herrliches, lange nicht gesehenes Jacqueline-Porträt von Picasso (zwei bis vier Millionen Pfund) und eine schöne Auswahl deutscher Kunst, zu deren interessantesten Werken Heinrich Campendonks visionäre „Landschaft mit Bayerischem Fuhrwerk“ gehört (obere Taxe: 1 Million Pfund). Sotheby’s hat das ehrgeizigere Angebot, unter anderem mit der großen Giacometti-Skulptur, die einmal die Vorstandsetage der Dresdner Bank schmückte und nun für die Kunststiftung des neuen Besitzers, die Commerzbank, zwölf bis 18 Millionen Pfund einspielen soll. Es sieht heute eben nicht mehr so gut aus, wenn sich Aufsichtsräte mit superteurer Kunst umgeben.

In der übernächsten Woche geht es dann um die Contemporary Art: Wenn Dolman recht hat, wird es Toppreise für Peter Doig und Lucien Freud geben. Die größte Rarität der Auktionen ist ein goldenes Schwammbild von Yves Klein, das bei Christie’s für fünf bis sieben Millionen Pfund angeboten wird.

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