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Kultur: Aus dem Ärmel geschüttelt

OPER

Eine alte Kulisse mit vier Flügeltüren, ein, zwei Requisiten aus dem Fundus und mittendrin das Orchester der Deutschen Oper auf ein Drittel seiner sonstigen Besetzungsstärke heruntergeschmolzen – die Seidene Leiter gehört zu den Stücken, an denen der Berliner Finanzsenator seine helle Freude haben dürfte (wieder am 2. u. 6.3.). Der flotte Einakter, den der 20-jährige Gioacchino Rossini anno 1812 mal eben aus dem Ärmel schüttelte, wirkt heute tatsächlich wie ein programmatischer Gegenentwurf zur Ausstattungsoper des 19. Jahrhunderts: Szenische Opulenz braucht es hier nicht, selbst eine konzertante Aufführung beeinträchtigt das Verständnis der boulevardesk vorhersehbaren Handlung um eine heimliche Ehe und die daraus entstehenden Misshelligkeiten nicht im mindesten.

Was hier ganz allein zählt, sind die Sänger, an denen allein man (soviel zum Finanzsenator) auf keinen Fall sparen darf. Sie allein müssen in diesem Elementartheater die menschlichen Impulse von Eifersucht und Koketterie bis zu Melancholie und Enttäuschung vermitteln, die, nicht anders als einst bei den neopolitanischen Harlekinen oder heute bei Dario Fo, das eigentliche Thema von Bühne und Musik sind. Rossini verlangt seinen Akteuren freilich obendrein noch eine ganze Palette belcantistischer Pyrotechnik ab. Doch an der Deutschen Oper hat Alberto Zedda, der Altmeister der Rossini-Dirigenten, ein wunderbares Ensemble versammelt: Eva Mei, Kenneth Tarver, Carlo Lepore und Enrico Marabelli singen die vier Hauptpartien nicht nur tadellos und stilsicher, sondern bringen das Publikum dazu, über ein paar grummelige Bassnoten zu lachen, einen melodischen Schlenker als Kurzflirt aus dem Augenwinkel zu genießen und von den schmachtenden Tönen des unentdeckten Liebespaars zutiefst gerührt zu sein. Oper kann manchmal so einfach sein.

Jörg Königsdorf

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