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Kultur: Aus dem Heldenleben einer Klangforscherin

ASAKI IST EIN GEHEIMNISVOLLES WESEN . Sie lacht nicht, sie weint nicht.

ASAKI IST EIN GEHEIMNISVOLLES WESEN . Sie lacht nicht, sie weint nicht. Sie fürchtet nichts und niemanden und liebt auch keinen. Asaki ist ein Wesen ohne Empfindung. Eine Heldin, die ihr Vorhaben ausführen will. Asaki, das ist der Mensch gewordene Plan, die Welt zu retten.Auf dem Bahnsteig der U5 nach Hönow, tief im Tunnelgewölbe des Alexanderplatzes, warten die Menschen auf den nächsten Zug. Wie jeden Abend, vermutlich. Gegenüber, auf dem Ankunftsgleis, ereignet sich derweil eine Szene, die ihre Aufmerksamkeit fesselt: eine Gruppe junger Leute tanzt im Rücken eines Kameramanns wie Tai ChiKämpfer über die Betonplattform. Sie versuchen, sich von der Sichtachse, die von seiner Handkamera aus quer durch die Halle geht, fernzuhalten. Es sieht aus, als hätten sie Angst, sich zu verbrennen. Sie verfolgen die Kamerabewegungen auf walkmangroßen Monitoren. Sonst erinnert nichts an ein Film-Set. Kein künstliches Licht, keine Catering-Tische. "Planet Alex" wird über und unter der Erde gedreht, und der Regisseur und Autor Uli M. Schüppel gibt sich mit dem zufrieden, was er vorfindet.Aber was heißt "zufriedengeben"? Vier Mal muß die Szene wiederholt werden, in der ein unscheinbares Mädchen, gespielt von der zierlichen Marie Zielke, auf einen verwirrten Herumtreiber trifft. Baki Davrak läuft am Ende der Einstellung immer wieder vor etwas davon, das sich jenseits der Kamera befindet. "Es geht in diesem Film um Oberflächen", erklärt Schüppel. "Wir kratzen Geschichten an, und bevor wir sie vertiefen, kratzen wir bereits an der nächsten. Ein Mosaik fragmentarischer Einblicke. "Es gab Drehbuchversionen von viereinhalb Stunden, bei denen Geschichten immer wieder in einer Sackgasse endeten. Auch jetzt könnte man, jedesmal, wenn Meret Becker auftritt, meinen, daß ein neuer Hauptstrang einsetzt. Aber das passiert nicht.""Planet Alex" wurde bis in die Nebenrollen originell und ambitioniert besetzt. Neben Meret Becker haben sich Ben Becker, Birol Ünel, Ralph Knebel, Alex Hacke und Mick Harvey für das Low Budget-Projekt begeistern können. Nur die Hauptrolle bereitete Schüppel anfänglich Sorgen. Er suchte nach einer Frau mit extrem starkem Willen und fand sie schließlich in der deutschen DJ-Queen Marusha. Sie seien sich bei einem Empfang begegnet, erinnert sich Schüppel. Marusha sei eine Frau, "die eine klare Vorstellung davon besitzt, was sie erreichen will". So habe er das Wagnis auf sich genommen, die Techno-Musikerin in eine ernsthafte Schauspielerin, schließlich in das Wesen Asaki zu verwandeln."Ich finde es schön", sagt Marusha, "als Künstlerin unberechenbar zu bleiben und etwas Neues auszuprobieren, statt mich an ein Beatmungsgerät anzuschalten." Wir sitzen auf der gigantischen Terrasse des Produktionsbüros im Schatten der Markthalle am Alexanderplatz. Sie trägt bereits ihr Filmkostüm, eine Montur in schwarz-grauem Future-Design. Die dunklen Haare sind nach Art eines Samurai-Kämpfers zu einem Zopf geflochten, auf dem Rücken trägt sie eine Rucksack-Attrappe - ein Schwert kann man nicht erkennen, doch ihr Auftritt signalisiert Entschlossenheit. Sie selbst findet, sie habe Ähnlichkeit mit Mulan. "Für gewöhnlich trage ich noch ein Kopf-Mikrophon, über das Asaki ihre Erlebnisse in einen Laptop diktiert." Auf die Frage, wieviel sie, Marusha, mit Asaki gemein hat, erwidert sie: "Asaki muß einen Auftrag erfüllen und geht sehr präzise vor. Ich bin viel spontaner und gehe Umwege, wo sie immer die Gerade nimmt." Marusha hat einige Übung darin, Kunstfiguren zu schaffen. Sie selbst ist als Techno-Star ebenfalls eine. Doch man merkt ihr die unterschwellige Bewunderung für eine Frauengestalt an, die unangreifbar ist, weil sie ihre Gefühle zu unterdrücken versteht. "Ängste, ein chemischer Vorgang. Asaki weiß, daß sie keine Fehler macht", rezitiert sie aus ihrem Text und sagt wenig später von sich: "Ich bin einer der wenigen Techno-Künstler, der alles erlebt hat. Aber die negativen Erfahrungen haben mich stark gemacht."Natürlich bezieht sich "Planet Alex" auf Alfred Döblins Großstadtroman "Berlin Alexanderplatz" und greift dessen apokalyptische Grundstimmung auf. Aber, meint Schüppel, "den Alexanderplatz gibt es ja eigentlich nicht. Er ist ein trostloses Gelände, über dem die Kugel des Fernsehturms schwebt. Wie ein eigenes Sonnensystem, um dessen Zentrum die einzelnen Planeten herumkreisen." So geht es auch in seinem Film um eine unheilvolle Planetenkonstellation, die das Ende der Welt heraufbeschwören könnte. Nur Asaki weiß als Klangforscherin, die Planeten-Schwingungen in Musik zu übersetzen versteht, einen Ausweg: Sie sendet ihre Gegenmusik aus. Wer darin den spirituellen Optimismus der Rave-Kultur wiederzuerkennen meint, liegt nicht ganz falsch. "Ich bin zwar kein Techno-Freund", gesteht Schüppel, "aber ich habe keine Lust mehr, an der Wirklichkeit zu verzweifeln. Ich will Leute zeigen, die positive Energien ausstrahlen und sich durchkämpfen." Der 41jährige Filmemacher, der vor zehn Jahren mit "The Road, to God knows where" eine vielbeachtete Dokumentation über eine US-Tour von Nick Cave & The Bad Seeds gedreht hat, arbeitete zweieinhalb Jahre an dem Stoff. Nach etlichen Rückschlägen stieg schließlich die Produzentin Milanka Comfort in das Projekt ein, die bereits Regisseuren wie Tom Tykwer und Detlef Buck zum Erfolg verholfen hat. Schüppel verspricht "andere Dialoge, als sie im deutschen Film üblich sind" und eine vollkommen neue Bildästhetik. So wird das Material mit einer unspektakulären Mini-DV-Kamera aufgenommen und später in einem spezialisierten Münchner Kopierwerk "Pixel für Pixel" abgetastet. Dieses Verfahren sei so aufwendig, daß er bislang nur bei Werbefilmen angewendet werde. "Die Maschine arbeitet 48 Tage, um den kompletten Film durchzurechnen. Aber das Ergebnis ist verblüffend: Man sieht nicht mehr, aus welchem Material das Bild besteht - wir spielen mit der Oberfläche."Die Logistik am Set ist keine Maschine: Plötzlich stellt sich heraus, daß Marusha erst um zwei Uhr nachts gebraucht wird. Planungsfehler. Sie zuckt mit den Schultern, wobei sich ihr Korsett wie eine Rüstung hebt. "Dann gehe ich jetzt nach Hause und schlafe." Die nächsten Tage werden anstrengend. "Das ist das Geile an der Rolle", sagt sie beim Weggehen, "es ist eine Brain-Rolle. Das ist auch ein Unterschied zu Marusha."Informationen: www.de.flex-film.com

KAI MÜLLER

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