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Kultur: Aus dem kollektiven Familienalbum Eine Hommage an den Durchschnittsdeutschen

In der Vorweihnachtszeit werden sie spürbarer denn je, die Familienbanden. Eine Ausstellung gleichen Titels müsste misstrauisch machen, zumal wenn die Einladung auf weißem Büttenpapier gedruckt ist wie sonst nur Klappkarten zu Hochzeit und Taufe.

In der Vorweihnachtszeit werden sie spürbarer denn je, die Familienbanden. Eine Ausstellung gleichen Titels müsste misstrauisch machen, zumal wenn die Einladung auf weißem Büttenpapier gedruckt ist wie sonst nur Klappkarten zu Hochzeit und Taufe. Macht sie aber trotzdem nicht, denn dahinter steckt der Berliner Künstler Martin Mlecko, der immer schon eine Schwäche für Menschliches, Marginales hatte und auch hier niemanden vorzuführen gedenkt. In seinem Schauraum 1 zeigt er zum ersten Mal jene 300 Fotografien, die er vor drei Jahren erstmals in einem Bildband des Prestel-Verlages unter dem Titel „Private Life“ präsentierte. Sie stellen das Destillat aus 10 000 hochformatigen Amateuraufnahmen dar, die der Künstler auf Flohmärkten, bei Freunden und der eigenen Familie gesammelt und anschließend zur Vereinheitlichung in ihrer Farbigkeit und Tiefenschärfe überarbeitet hat: ein Panorama der Siebziger- bis Neunzigerjahre, ein Porträt des Durchschnittsdeutschen auf Familienfeiern, in den Ferien, beim Wandertag.

Werbeagenturen, Grafikdesigner reagierten sofort und hätten sich nur zu gerne aus diesem Reservoir an Alltagsbildern bedient. Dass für Mlecko das Ganze ein geschlossenes Kunstwerk darstellt, begriffen die wenigsten. Nun hat er sich entschieden, sein kollektives Familienalbum selbst auszustellen in einem ungenutzt gebliebenen Ladenlokal, dem man in seiner schönen Tristesse am liebsten Unveränderbarkeit verordnen würde. Doch die Zeit geht weiter; vielleicht trifft sich die Familienbande später einmal andernorts wieder.

Schauraum 1, Chausseestr. 123, bis 30. Dezember; Di-Sa 15-19 Uhr.

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