zum Hauptinhalt

Kultur: Aus Elysium

Barenboims Divan-Musiker in der Waldbühne

Abendsonne über der Berliner Waldbühne. Weißgoldwölkchen in der Dämmerung, nach ungewisser Vorhersage wird die Wetterwende allenthalben dankbar begrüßt. Denn was sich nun ereignet, ist nicht nur anspruchsvoller Beethoven, die achte und neunte Sinfonie, sondern ein Konzert für Kopf und Herz, gespielt von Daniel Barenboims West- Eastern Divan Orchestra. Darin kommen, wie der Maestro schreibt, junge Musiker „aus Israel, Palästina und anderen arabischen Ländern“ zusammen, „inspiriert vom Geist der Musik, aber auch der Botschaft“, Gespräche miteinander zu führen, ein offenes Ohr füreinander zu entwickeln. Es lässt sich nicht wegdenken, wie schwer es ist, dass dieser „Klangkörper“ seine Utopie heute vor dem Hintergrund einer neuen Welle der Gewalt im Nahen Osten verteidigt, dass alle täglichen Nachrichten von dort querstehen zu einem „sommerlichen Fest der Musik“.

Und doch wird es zum Triumph, für Barenboim, den jüngst eine Initiative seines Geburtslandes Argentinien für den Friedensnobelpreis vorschlagen will, wie für alle Mitwirkenden. Man bedenke, dass die Neunte auf ihren Wegen aus dem Wiener Kärntnertortheater, wo sie unter Leitung des ertaubten Komponisten uraufgeführt wurde, in die weite Arena unter freiem Himmel gelangt: Die extreme Anstrengung, die jede wesentliche Interpretation des Werkes verlangt, erscheint noch gesteigert. Es ist eigentlich keine Freiluftmusik. Eher schon noch die Achte, die Barenboim vorausschickt. Erstaunlich vor allem, wie die kostbare Miniatur des Allegretto mit dem „Mälzel“- Thema, den staccato tappenden Sechzehntelfiguren der Bläser, ihren Kontrasten und den Echos in der Coda differenziert wird. Der Akustik zum Trotz – und Störgeräuschen vom Poloturnier auf dem benachbarten Maifeld.

Mit dynamischem Übereifer stürzen sich Dirigent und Orchester in die d-Moll-Symphonie. Der Zuschauer läuft Gefahr, sich ablenken zu lassen durch Kommen und Gehen auf den Stufen zum Schutz des Areals. Aber Barenboim erzwingt Konzentration, wenn er sein großes Adagio in den Nachthimmel schickt. Auch wenn ein Pizzikato eher zu sehen, das Freudenthema in den Celli und Bässen eher zu ahnen als zu hören ist. Als Chefdirigent der Staatsoper Berlins kann er auf seinen Chor bauen sowie auf die Solisten Anna Samuil, Waltraud Meier, Peter Seiffert mit René Pape im Bass, der seine Melodie von der Tochter aus Elysium mit eigenen Nuancen ausstattet.

Und die Fortissimofermate „vor Gott“ hat gigantisches Waldbühnenformat. So wird das Opus Magnum der Natur angepasst. Sybill Mahlke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false