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Väterlich. Anton (Mikael Persbrandt) mit seinen Söhnen Elias (Markus Rygaard, rechts) und Morten (Toke Lars Bjarke).

©  Universum

Auslands-Oscar erhalten: Rache ist süßsauer

Susanne Biers Auslandsoscar-Sieger „In einer besseren Welt“ erzählt von zwei beschäftigten Familien in Dänemark- und in einem namenlosen afrikanischen Kriegsgebiet.

Vorweg eine Warnung: Dies ist eine Filmkritik mit sogenannten Spoilern. Sie nimmt für sich in Anspruch, wie etwa die Kritik eines neuen Buchs oder einer Theater-Uraufführung, bei Bedarf über das gesamte Material zu verfügen – und riskiert dabei, dem Zuschauer etwas auszuplaudern, das er womöglich spannungshalber lieber zurückgehalten gesehen hätte. Aber was tun, wenn dann Elemente fehlen, die den Film wesentlich erklären?

Susanne Biers „In einer besseren Welt“, soeben mit dem Auslands-Oscar ausgezeichnet, erzählt von zwei beschädigten Familien in Dänemark – und in einem namenlosen afrikanischen Kriegsgebiet. Im Mittelpunkt stehen zwei zwölfjährige Jungen, Christian (William Johnk Nielsen) und Elias (Markus Rygaard), die sich als neue Schulkameraden anfreunden und, mitten in einem Klima so verständnisvoller wie ahnungsloser Erwachsener, ob Eltern oder Pädagogen, in eine lebensgefährliche Situation geraten.

Christian ist nach dem Krebstod seiner Mutter aus England nach Dänemark zurückgekehrt zu seinem Vater (Ulrich Thomsen), den er hasst: Er wirft ihm vor, die Mutter im Sterben alleingelassen zu haben. In der neuen Schule gerät Christian an Elias, einen Jungen mit Zahnspange, Opfer einer Gruppe von Gleichaltrigen, die ihn demütigen und schlagen. Christian wird das nicht dulden und den Anführer dieser Gruppe so erschrecken, dass der fortan von Elias ablässt.

Elias wohnt bei seiner Mutter (Trine Dyrholm), die in Scheidung lebt. Über eine Affäre ihres Mannes Anton (Mikael Persbrandt) kommt sie nicht hinweg – und außerdem verbringt Anton ohnehin einen Großteil des Jahres als Arzt in einem Flüchtlingscamp in Afrika. Dort muss er immer häufiger Schwangere operieren, die ein sadistischer Warlord grausam verstümmelt. Als der Warlord, eine Art Idi Amin redivivus, selber krank im Camp einmarschiert, stellt sich für den Arzt die Frage: Soll ich am hippokratischen Eid festhalten, gegen den Willen meines schwarzen Personals?

Gewalt in allerlei Facetten ist das Leitthema dieses Films, der im dänischen Original „Haevnen“ (Rache) heißt. Es geht um das alttestamentarische „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ oder das neutestamentarische Postulat der Gewaltlosigkeit dessen, der jenem die linke Wange hinhält, der einem schon auf die rechte gehauen hat. Anton, Protagonist dieser Jesus-Haltung, erfährt, zurück in Dänemark, wie Elias und Christian das gewalttätige Schul-Mobbing selber gewalttätig lösen. Wohl auch deshalb lässt er sich, vor ihren Augen von einem Automechaniker, der aus jeder Situation Schlägerkapital zu ziehen sucht, ins Gesicht schlagen. Die Kinder aber verstehen Antons Lektion in bloßstellender Gewaltlosigkeit nicht. Sie nennen ihn Feigling.

Das ist die spannende Konstellation des durchweg mit vorzüglichen Schauspielern besetzten Films. Worauf aber will er hinaus bei der Lösung all der aufgeworfenen Schüler-, Freundes-, VaterSohn- und Eheprobleme? Plädiert er für Gewalt oder für Gewaltlosigkeit – oder will er bloß Erschütterung um jeden Preis, Tränen, Versöhnung, Katharsis. Nur: Katharsis wovon und wohin?

Antons demonstrative Opferbereitschaft? Prinzipiell gut. Dass die Söhne sie erst nicht recht verstehen? Das auch. Hier steht es zwischen Gewaltlosigkeit und Gewalt durchaus anregend unentschieden. Dass die Jungs dann aber das Rachegeschäft selber in die Hand nehmen und dem Grobian, der Anton beleidigte, das Auto anzünden wollen: Das ist natürlich schlecht. Wie aber ist dann der Lynchmord der Schwarzen an dem Warlord zu verstehen, den der so gewaltlose Anton in aller Ruhe mitansieht?

Nein, aufs finale Durchdringen ihres Themas kommt es Susanne Bier, die so bewegende Filme wie „Open Hearts“ und „Brothers“ gedreht hat, nicht an. Sondern, und das wird zum Ende hin immer unüberseh- und auch unüberhörbarer, auf die bloße Generierung von Emotion. Was für eine Fallhöhe, was für ein Sturz.

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