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Soft power. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier spricht im November 2014 in Jakarta, Indonesien, auf einer Partnerschule des Goethe-Instituts. Weltweit gibt es 1500 solcher Einrichtungen.

© dpa/Maurizio Gambarini

Außenkulturpolitik: Deutschland an der Spitze, doch die Konkurrenz wächst

Kulturpräsenz in anderen Ländern entfaltet langfristig politische Wirkung. Deutschland steht im internationalen Vergleich gut da - doch China und Russland holen auf, wie eine neue Studie zeigt.

Der Tod des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo in chinesischer Haft und die Proteste der Weltöffentlichkeit haben schlagartig ins Bewusstsein gerückt, welche Rolle die soft power von Kultur und kulturellem Austausch spielen kann: Sie hat keine unmittelbare Wirkung – aber sie macht sich in der langen Frist bemerkbar. Kulturelle Präsenz zeitigt politische Wirkungen, umso mehr in der vernetzten Welt mit ihren informellen Kanälen.

Die „große“ Politik hat die Bedeutung der auswärtigen Kulturpolitik längst erkannt, und sie wird zunehmend wichtiger. Deutschland vertraut auf „Mittlerorganisationen“ wie das Goethe-Institut mit seinen weltweiten Zweigstellen. Wie aber steht die deutsche Politik im internationalen Vergleich da? Dazu hat das Auswärtige Amt eine Studie bei der Hertie School of Governance in Berlin unter der Leitung von Helmut K. Anheier in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse jetzt vorgestellt wurden.

China und Russland sind neuere Akteure

Die Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes betont gern das Wachstum der Haushaltsmittel, die für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik zur Verfügung stehen. Je nach Systematik sind es mittlerweile 1,767 Milliarden Euro im Jahr, wovon das Auswärtige Amt mit 861 Millionen Euro den Löwenanteil beisteuert. Weitere Beträge liefern das Bildungsministerium und die Kulturstaatsministerin. Für den Ländervergleich besagen solche Zahlen zunächst einmal wenig.

Der Studie zufolge befindet sich Deutschland „in einem intensiver werdenden internationalen Wettbewerb“. Dazu kamen sieben andere Länder in den Blick. Frankreich und Großbritannien sind wie Deutschland klassische Akteure der Außenkulturpolitik. Die USA haben über die Jahrzehnte eine Fülle von Programmen besagter soft power betrieben, so das Fulbright-Stipendienprogramm oder „Radio Free Europe“. China und Russland sind neuere Akteure, deren Tätigkeit – so Anheier – „zunehmend durch eine proaktive Politik der Einflussnahme geprägt wird“. Schließlich sind noch Brasilien sowie Katar berücksichtigt worden.

Russische und chinesische Standorte sind immens gewachsen

Bei allen Problemen der Vergleichbarkeit anhand von Indikatoren – wie etwa den Haushaltsmitteln – gibt die Zahl der Kulturinstitute im Ausland zumindest einen Anhaltspunkt. Während die Zahl der Goethe-Institute über viele Jahre nahezu konstant geblieben ist – sie liegt derzeit bei 158 – und die des British Council zu Beginn unseres Jahrzehnts deutlich schrumpfte, aber immer noch leicht über der deutschen Zahl liegt, hat sich die Zahl der Standorte der Russky Mir („Russische Welt“) seit 2009 auf jetzt über 100 verdoppelt. Die der chinesischen Konfuzius-Institute allerdings hat sich von der der Ersteinrichtung im Jahr 2004 bis heute auf 500 enorm vervielfacht.

Mit Ausnahme des Nahen Ostens und Nordafrikas, wo Frankreich traditionell dominiert, ist China heute in allen Weltgegenden mit den jeweils meisten Instituten vertreten, am relativ stärksten interessanterweise auf dem amerikanischen Doppelkontinent. Was die Vernetzung angeht – Zahl der eigenen Institute im Gastland gegenüber Zahl der Gastlands-Institute im Inland –, steht Deutschland mit gleichmäßigen Beziehungen in alle Weltgegenden gut da, während bei China ein Ungleichgewicht mit eindeutig politischer Prioritätensetzung erkennbar ist.

Die Sprache stellt das größte Hindernis für ein Auslandsstudium dar

Sodann betrachtet die Studie die Auswärtige Bildungspolitik. Bei den Zahlen der im Ausland immatrikulierten Studenten wie derjenigen aus dem Ausland im Gastland nimmt Deutschland jeweils eine beachtliche Position ein: mit vier Prozent im Ausland Studierender die Spitzenposition, während Großbritannien die relativ meisten Ausländer unter seinen Studierenden zählt: 18 Prozent gleich 428 000. China als bevölkerungsreichstes Land der Erde schickt 754 000 Studierende ins Ausland, was indessen lediglich 1,8 Prozent aller chinesischen Studenten ausmacht. Die Sprachbarrieren stellen das größte Hindernis dar; die englischsprachigen Länder ziehen daraus umgekehrt den größten Vorteil.

Schließlich untersucht die Studie den Bereich der elektronischen Medien (sofern man diese der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik zurechnet). Ermittelt wurden Abruf- und Abonnentenzahlen verschiedener YouTube-Kanäle. Auffällig sei hier vor allem die dynamische Entwicklung des russischen Anbieters „Russia Today“. Allerdings schränkt die Studie ein, dass „der quantitative Reichweitenvergleich (...) mit Vorsicht zu genießen“ sei. Die medialen Aktivitäten, so die Schlussfolgerung, treten im Falle Russlands an die Stelle der teureren, institutsbasierten Außenkulturpolitik.

Deutschland muss aufstocken

Insgesamt bescheinigt die Studie der deutschen Außenkulturpolitik einen guten Stand, der sich – wie auch beim Nachbarn Frankreich – durch hohe Kontinuität auszeichnet. Mit Blick auf neuere Akteure wie Russland und China, aber auch Katar, überraschen die Schlussfolgerungen nicht: Wenn Deutschland seine gute Positionierung behalten will, müsse es die Mittel aufstocken und „gerade in den geopolitisch ,umkämpften‘ Regionen seine Aktivitäten ausbauen“. So „soft“ ist die soft power bei Licht besehen eben doch nicht. Dass Russland am Ende der Studie „machtpolitische Instrumentalisierung“ unterstellt wird, verwundert nicht, dass dies bei China unterbleibt, hingegen schon.

Allerdings ist die politische Interpretation der ermittelten Daten Sache des Auftraggebers Auswärtiges Amt. Dessen Kulturabteilung kann sich über so viel grundsätzliche Bestätigung des eigenen Weges freuen. Aber genau dafür gibt man ja Studien in Auftrag.

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