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Herr und Hut. Duroy (Robert Pattinson) trennt sich skrupellos von seiner Geliebten (Kristin Scott Thomas).

© Studiocanal

Außer Konkurrenz: Der eiskalte Bengel

Das Kostümdrama „Bel Ami“ mit Robert Pattinson bebildert bloß bieder den Roman. Und zeigt dabei viel Achselhaar.

Der Aufsteiger Georges Duroy, dem Guy de Maupassant in seinem Roman „Bel Ami“ ein literarisches Denkmal gesetzt hat, besitzt etwas, was im Paris des späten 19. Jahrhunderts wichtiger ist als Talent: Ehrgeiz. Die Belle Époque erscheint hier als Zeitalter eines rasenden Umbruchs, in dem mittelalterlich verwinkelte Gassen neuen Prachtboulevards weichen müssen, Kaufhäuser und Palais emporschießen und sich mit Immobilien- oder Börsenspekulationen im Handumdrehen ein Vermögen machen lässt. Duroy – später wird er sich selbst nobilitieren und „Du Roy“ nennen – ist skrupellos genug, um zum Mann der Stunde zu werden.

Obwohl sein Sprachgefühl begrenzt ist, schafft er ausgerechnet als Journalist den Sprung an die Spitze der Gesellschaft. Dabei hilft ihm Charles Forestier (Philip Glenister), ein alter Kamerad aus seiner Militärzeit in Algerien, der den Politikteil der Tageszeitung „La Vie Française“ leitet – und mehr noch dessen schöne Gattin Madeleine (Uma Thurman). Forestier gibt dem mittellos durch Kaffeehäuser und Kaschemmen bummelnden Freund Geld, damit er sich einen Frack leihen kann, den er braucht, um in die entscheidenden Salons der Stadt eingeführt zu werden. Madeleine wird erst Duroys Ghostwriterin, dann seine Geliebte, schließlich, nach dem Tod des Redakteurs, sogar seine Ehefrau. Vor allem aber gibt sie dem Beau einen Rat: „Halte dich an die Frauen der wichtigen Männer. Durch sie erreichst du dein Ziel am schnellsten.“

Der „Bel Ami“ – den Spitznamen bekommt er vom Töchterchen seiner Geliebten Clotilde (Christina Ricci) – schläft sich buchstäblich nach oben. Liebesschwüre gibt er mit der geheuchelten Inbrunst eines Schauspielers von sich. Die ältliche Madame Rousset (Kristin Scott Thomas), die ihm nach einigen Liebesnächten verfallen ist, herrscht er an, er könne ihre „faltige Haut“ nicht mehr ertragen. Seine Mentorin Madeleine lässt er fallen, als sie ihm nicht mehr nutzen kann.

Eine Ära der Gier, die den Charakter der Menschen deformiert. Daraus hätte sich in einer Krisenzeit, in der gerade eine neue Spekulationsblase geplatzt ist, eine schön gemeine Gesellschaftsstudie machen lassen können. Doch die britischen Regisseure Declan Donnellan und Nick Ormerod belassen es bei ihrem „Bel Ami“-Film, der im Wettbewerb außer Konkurrenz läuft, bei einer biederen Bebilderung des Romans.

Zylinderherren und Liebesmädchen flanieren über Postkarten-Boulevards, Kutschen rumpeln vorüber, in Herrenzimmern wird intrigiert. Und Robert Pattinson, der Teenieschwarm aus den „Twilight“-Filmen, ist als Duroy sichtlich damit überfordert, seiner Figur Abgründigkeit und Eiseskälte zu verleihen. In der einzigen gelungenen Sequenz ist der Geldempfang bei der Abgabe eines Textes mit einem Liebesakt gegengeschnitten. Man sieht Körperdoubles bei freudlos aseptischem Sex. Christian Schröder

18. 2., 12 Uhr und 22.45 Uhr (Friedrichstadt-Palast)

Achselhaare – igitt! Nein, man kann nicht sagen, dass sich Christina Ricci mit diesem Detail ihrer Rolle besonders angefreundet hätte. Aber die beiden „Bel Ami“-Regisseure wollten nun mal auch in der Haarmode authentisches spätes 19. Jahrhundert, also hieß es: „Rasieren verboten!“ Sorgfältig versuchte Ricci, dies vor der Kamera zu kaschieren – und musste sich eingestehen: „Oh, wieder falsch bewegt.“ Aber auch für Robert Pattinson bedeuteten die Dreharbeiten eine Herausforderung an die Physis: Kein Fitness-Studio! Denn Sixpacks waren den Zeitgenossen Bel Amis völlig unbekannt.

Ein weiteres Mal wurden Haare zum Thema der Pressekonferenz zur Maupassant-Verfilmung, diesmal sehr, sehr kurze. Den Grund für den Kahlschlag auf seinem Haupt konnte Pattinson nur ungenau nennen: „Wenn ich lief, flogen immer die Haare und ich kam mir wie ein Idiot vor.“ Folglich kam die Anweisung an den Friseur: Machen Sie’s kurz.

Seinen Duroy sieht Pattinson als eine Art Vorgänger der Stars aus dem Reality-TV, die nehmen, was sie kriegen, um Geld zu verdienen. Er sei einer, der kein rechtes Ziel habe, aber wenn er beleidigt werde, richte er seine ganze Energie darauf, sich zu rächen. Ob er noch einmal den „Twilight“-Vampir spielen möchte, wurde Pattinson gefragt. Ja, spannend wäre das schon, aber bis Stephenie Meyer, die Autorin der Romanvorlagen, ein neues Buch fertig hätte, wäre er wohl zu alt für die Rolle. Das dürfte die Fans vor dem Berlinale-Palast tief betrüben. Einige warteten schon seit Donnerstagmorgen am roten Teppich. Der Kreischalarm am Abend war gesichert. Andreas Conrad

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