zum Hauptinhalt

Ausstellung bei C/O Berlin: Bruce Davidson: Insider von außen

Metro-Ethnologie: Der US-Fotograf Bruce Davidson zeigt bei C/O Berlin seine Subway-Bilder aus New York City.

Seine Fotografien sind Nahaufnahmen der achtziger Jahre in New York. Hier trägt man noch Achselshirt am aufgepumpten Oberkörper, Sonntagshut auf frisch eingedrehten Locken oder einfach eine gezückte Waffe in der Hand. Der amerikanische Fotograf Bruce Davidson hat in seiner Fotoserie „Subway” das tägliche Zusammenrücken in der U-Bahn festgehalten. Ungefähr fünf Millionen Menschen pendeln jeden Tag in der mit Graffitis überzogenen Bahn zwischen Brooklyn und Manhattan, der Upper East Side und Harlem. Er sei süchtig nach dem Transportmittel geworden, sagt er selbst. Den heute 78-Jährigen hatte es aus Illinois ins Zentrum der amerikanischen Künstlerszene verschlagen. Mit zehn Jahren bekommt er seine erste Kamera, in Paris lernt er Henri Cartier-Bresson kennen, 1959 wird er Mitglied der Fotoagentur Magnum, mit dreißig erhält er eine Einzelausstellung im Museum of Modern Art in New York.

Eine seiner ersten bemerkenswerten Serien „Brooklyn Gang“ entsteht im Sommer 1959. Er war ein „Insider, der von außen kam“ (Davidson) und zeitweise Teil jener gelangweilten, von der Gesellschaft vergessenen Jugendgruppe. Dokumentiert hat er auch das „Civil Rights Movement“ in den Sechzigern oder die Bewohner des Viertels um die „East 100th Street“. Dafür stellte er sich stundenlang in Harlem auf die Straße, bis die Anwohner ihn in ihre Wohnungen einluden. Dort durften sie die Inszenierung bestimmen. Das kostete Zeit, erwies sich aber als Vorteil: „Wenn ich eines gemacht habe, dann war es vor allem, länger zu bleiben.“ So erzählt Davidson es in einer Arte-Dokumentation von Claude Ventura, die neben seinen Bildern in der gerade laufenden Ausstellung „Subway“ bei C/O Berlin zu sehen ist. Es ist bis heute Davidsons einzige große Fotoserie in Farbe. Zu bedeutend und bunt erschienen ihm die Graffitis, die sich wie eine Art Kriegsbemalung durch das gesamte U-Bahn-Netz ziehen, als dass er mit Schwarz-Weiß zufrieden gewesen wäre.

Wie der französische Anthropologe Marc Augé ist auch Davidson ein Ethnologe in der Metro geworden. Augé lehrt die Erfahrung in der Metro, „nicht mehr von dem auszugehen, was man das Paradox des anderen nennen könnte, sondern von dem Paradox der beiden anderen.“ Für Davidson sind die anderen keine fremden Objekte, sondern Personen, die er darum bittet, sie fotografieren zu dürfen. Darin unterscheiden sich Davidsons Bilder deutlich von Walker Evans’ Fotografien.

1938 hatte dieser heimlich die Fahrgäste der New Yorker U-Bahn mit seiner Kamera aufgenommen. Letztlich passten beide den richtigen Augenblick ab. Momente wie ein flüchtiges Blinzeln über die Schulter des Vordermanns auf die Zeitung von heute, der Arm einer alten Frau mit Einkaufstüte in der Hand, eingeklemmt zwischen zwei Waggontüren, oder die erschrockenen Augen eines Jungen, der sich beim Beschmieren der U-Bahn-Wände erwischt fühlt. Katrin Gottschalk

C/O Berlin, Oranienburger Str. 35/36, bis 20. 5.; tgl. 11-20 Uhr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false