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Ausstellung: Ganz entspannt im Hier und Einst

Luisen-Kult, die zweite: Auf der Pfaueninsel huldigen Künstler der großen Preußin – "Inselwelt der Königin".

Dunkle Wolken ziehen auf, der Wind lässt Wellen über die Bordwand klatschen. Die Fähre beginnt verdächtig zu schaukeln, doch bringt sie nichts von ihrer Fahrspur ab. Auf der Pfaueninsel dann scheint wieder die Sonne, als wäre nichts gewesen. Die kleine Überfahrt hat etwas von einer Wetterscheide, zumindest mental. Die Pfaueninsel war immer schon der Gegenort zum Großstadtleben. Wer hierher kommt, will lustwandeln, sich bilden, vergnügen mitten in schönster gestalteter Natur.

Daniel Birnbaum, Kurator der Olafur-Eliasson-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau, charakterisiert die Pfaueninsel als „Spielplatz einiger weniger Männer, die hier nacheinander an der Verwirklichung ihrer Visionen innerhalb einer klar abgesteckten Umgebung arbeiteten“. Vermutlich schrieb er das im Ausstellungskatalog, bevor er mit der kleinen schaukelnden Fähre übergesetzt hat. Wer einmal auf der Pfaueninsel war, kann hier die Spuren einer bedeutenden Frau eigentlich nicht übersehen – die Spuren Luises, der berühmtesten preußischen Königin. Im „Luisenjahr“, ihr Todestag jährt sich im Mai zum 200. Mal, begegnet ihr der Besucher hier überall.

Nach der Ouvertüre mit der großen Jubiläumsschau zu „Leben und Mythos der Königin“ im Charlottenburger Schloss (bis 30. Mai) schließt sich als Teil zwei der Feierlichkeiten die Freiluftausstellung „Die Inselwelt der Königin“ (bis 31. Oktober) auf der Pfaueninsel an. Den Abschluss bildet die Präsentation „Die Kleider der Königin“ im Schloss Paretz (31. Juli bis 31. Oktober). Der Publikumserfolg ist bereits absehbar. Der durch den frühen Tod der beliebten Königin ausgelöste „Luisenkult“ hat mit der Ausstellungstrilogie, zahlreichen neu verfassten Biografien und Gedenkveranstaltungen weiteren Vorschub erhalten. Allein die Charlottenburger Ausstellung haben bereits 40 000 Besucher gesehen.

So ist die Pfaueninsel, Luises Elysium, Pilgerstätte seit 200 Jahren. Hierher zog sich die lebenslustige Regentin von der strengen Etikette am Berliner Hof zurück und führte unbeschwert das Leben einer „Bürgerkönigsfamilie“, picknickte mit Freunden auf den Wiesen, spazierte zwischen den Feldern, auf denen die Fruchtwechselwirtschaft erprobt wurde. Damals war das Terrain noch stärker landwirtschaftlich genutzt; es gab Hühner, Gemüsegärten, Wippen, Schaukeln, sogar eine Kegelbahn. Erst nach Luises Tod gestaltete Peter Josef Lenné das Eiland zum Landschaftspark um, in dem an vielen Stellen zur Erinnerung an die einstige Bewohnerin Hortensien blühen, Luises Lieblingsblume.

Der Künstler Martin Weimar hat die pink und violett blühenden Ballen gleich containerweise aufgefahren. In abwechselnd roten und blauen Müllbehältern stehen sie als Ehrenwache aufgereiht vor dem Luisentempel, der sich am Rande des Eichenhains mit Blick auf die große Wiese am Südende der Insel befindet und nur in der warmen Jahreszeit von den ersten und letzten Strahlen der Sonne berührt wird. Von ihrem Podest aus sieht die dort angebrachte Steinbüste Luises in diesem Sommer nicht nur die Sonne blinzeln und Grashüpfer springen, sondern auch auf eine „Hortensien-Armee“ herab, so der Titel.

Der Aufmarsch in Mülleimern ist vermutlich als ironische Brechung gedacht, denn die Freiluftschau will Fragen zur Person Luises stellen, zu ihrer Rolle als Frau und Mutter, Königin und Heilige. Will der Künstler all die liebgewonnenen Klischees in die Tonne schicken? Auf einer Themenausstellung kann dies kaum gelingen. Schließlich bezieht selbst die stärkste Gegenposition ihre Kraft aus dem Mythos Luise. Auch die anderen Beiträge der sechs Ausstellungsteilnehmer schwanken zwischen poetischer Randnotiz und freier Assoziation. Die alte Eiche stört es nicht. Robert Stieve hat sich tatsächlich zwei Veteranen dieses urdeutschen Baumes für seine Installation ausgesucht. Unter ihr Blätterdach legte er hundert überdimensionale aus Beton gegossene Eicheln aus, die aus der Naturidylle plötzlich ein geheimnisumwittertes Stillleben à la Magritte machen. Wie Geschosse liegen sie da, irgendwie bedrohlich und doch putzig auch. Genauso gut könnten sie unter jeder anderen Eiche liegen, ähnlich wie die sich verselbstständigende Parkbank von Christian Engelmann nicht zwingend vor dem Kavaliershaus stehen muss. Der Münchner Bildhauer Olaf Metzel-Schüler hat eine Sitzgelegenheit für Spaziergänger konstruiert, die ihre Benutzer nach einer Minute sanft abkippt. Wer sich kurz ins 19. Jahrhundert versetzt fühlte, landet per Hubkraft wieder in der Gegenwart.

Zum schönsten Beitrag aber gehört „Professor Peter Ameisenhaufens Tierschau“ in der erstmals besuchbaren Voliere. Der Erfinder der Teratologie und Kryptozoologie zeigt auf Schautafeln die von ihm entdeckten Ausnahmeerscheinungen in Darwins Evolutionstheorien. Mit seinen urkomischen Beschreibungen und zum vermeintlichen Beleg dienenden Fotografien knüpft er an die Geschichte der Pfaueninsel als Ursprung des Berliner Zoologischen Gartens an. Von den einst hier untergebrachten Affen, vom Wolf und sogar dem Känguru sind heute nur noch die Pfauen geblieben, die der Insel ihren Namen gaben. Dem Spanier Joan Fontcuberta, der hinter dem ominösen Professor Ameisenhaufen steckt, gelingt der Sprung vorwärts und rückwärts in der Zeit. Und Luises Inselwelt hebt ab.

Bis 31. Oktober; Katalog 9,95 €.

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