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Eine Rötelzeichnung von Chodowiecki für den Französischen Dom.

©  Akademie der Künste

Ausstellung in der Alten Nationalgalerie: Gott wohnt im Turm

Um 1780 entwarfen Chodowiecki und Rode den Skulpurenschmuck für die beiden Kuppelbauten auf dem Gendarmenmarkt. Jetzt sind ihre Zeichnungen erstmals vereint zu sehen.

In diesem Fall dauerte die Nachkriegszeit 70 Jahre. Während des Zweiten Weltkriegs waren sie ausgelagert, 1945 verschollen, danach auf verschlungenen Wegen getrennt. Nun können sie erstmals gemeinsam in der Ausstellung „Turmbewohner“ bewundert werden: die Zeichnungen Christian Bernhard Rodes und Daniel Nikolaus Chodowieckis, mit denen die beiden um 1780 den Skulpturenschmuck der als Deutscher und Französischer Dom bezeichneten Kuppelbauten auf dem Gendarmenmarkt entwarfen. Auch wenn die Kuppeln nur funktionslose Architekturkulissen vor unansehnlichen älteren Kirchen waren, verwirklichten die beteiligten Künstler damit das ambitionierteste religiöse Ausstattungsprogramm der Berliner Spätaufklärung.

Erworben wurden Rodes Federzeichnungen 1929 durch die damals noch Preußische Akademie der Künste unter Max Liebermann, 1934 folgten Chodowieckis Rötelzeichnungen aus derselben Privatsammlung: als Referenz an die beiden Männer, die in einer Zeit beginnender Reformen nacheinander Akademie-Direktor gewesen sind. 1945 erschien nicht nur der preußische Geist der Akademie diskreditiert, es waren auch beide Konvolute verschwunden. Was danach kam, klingt wie ein Krimi. Rodes Zeichnungen kehrten 1958 aus der Sowjetunion nach Ost-Berlin zurück. Chodowieckis Blätter hingegen galten als Kriegsverlust, bis der Akademie 1994 ein Teil anonym angeboten wurde. Der Rückerwerb mithilfe der Kulturstiftung der Länder gelang erst 2013, nachdem ein Verkaufsversuch der zeitweiligen Besitzer über das Berliner Auktionshaus Bassenge gescheitert war. Insgesamt 42 Blätter konnte die Akademie zurückgewinnen.

Eigentlich genug Stoff für die Kabinettausstellung beider Werkgruppen, mit der die Akademie der Künste in der Alten Nationalgalerie gastiert und, komplettiert durch eine lesenswerte Begleitpublikation, die die vom Freundeskreis der Akademie finanzierte Restaurierung der Chodowiecki-Blätter feiert. Doch die Ausstellung leidet nicht nur an ihrer vorhersehbaren Dramaturgie – links Rode, rechts Chodowiecki, dazwischen eine Vedute des Gendarmenmarkts –, sondern zudem an schlecht lesbaren, viel zu langen Objekttexten.

Schade, denn zu diskutieren gäbe es einiges. Etwa die von der Kunstwissenschaft nur teilweise beantwortete Frage, wie das komplexe, formal und inhaltlich aufeinander abgestimmte Programm der beiden Kuppelbauten zwischen der französisch-reformierten und der deutsch-reformierten Gemeinde verabredet wurde, inwieweit theologische Kapazitäten im Hintergrund wirkten, welche Rolle die Künstler spielten und was die im Auftrag von Friedrich II. beteiligten Architekten Carl von Gontard und Georg Christian Unger davon hielten. Der Schaulust tut das keinen Abbruch. Chodowieckis mit feinem Ernst modellierte Propheten und Rodes schwungvolle Tugendallegorien erinnern daran, wie künstlerisch und lebensweltlich herausragend das spätfriderizianische Berlin war.

Alte Nationalgalerie, bis 12. April, Begleitpublikation 14,80 Euro.

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