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Ausstellung in Florenz: Die Kälte der Macht

Maler am Hofe der Medici: Florenz zeigt erstmals das Werk des großartigen Manieristen Agnolo Bronzino.

In den Bestandskatalogen der Berliner Gemäldegalerie wird sein Name eher geschäftsmäßig abgehandelt: Agnolo Bronzino (eigentlich Agnolo di Cosimo di Mariano, 1503–1572), Hofmaler des florentinischen Fürsten Cosimo I. Medici. Doch sein Bildnis des Ugolino Martelli von 1540 sticht ins Auge, allein schon der Eigenschaft wegen, die Giorgio Vasari, der Biograf der Florentiner Künstlerschaft und selbst Maler und Architekt, 1568 mit den Worten beschrieb, Bronzino sei „begabt, so sorgfältig wie irgend möglich nach dem Leben zu zeichnen“, und seine Porträts seien „so natürlich, dass sie wahrhaft lebendig erscheinen“.

Bronzino war ein ganz außerordentlicher Porträtmaler, zutiefst eingebunden in die ästhetischen Debatten seiner Zeit. Seine Zeit – das waren Unruhe, Krieg, Krankheit, Tod. Er malte die acht Kinder seines Landesherren, von denen sieben vorzeitig starben, als Kleinkind, an Malaria, an Raufhändeln und Giftmord.

Bronzino war der Chronist dieser Zeit, der zweiten, letzten Blütezeit der Medici in Florenz. Seine Lebensdaten fallen mit denen Cosimos I. nahezu zusammen, jenes energischen Mediceers, der 1569 den lang erstrebten Titel eines Großherzogs der Toskana vom Papst erlangte, nachdem er sich vom lange umworbenen, jedoch 1555 abgetretenen Kaiser Karl V. strategisch gelöst hatte. Cosimo war ein weitblickender Politiker, wie es ihn im Hause Medici nicht wieder geben sollte. Und Bronzino war der Bildnismaler der Medici und der übrigen Elite der nunmehr herzoglichen Residenzstadt.

Diesem Bronzino ist im Florentiner Palazzo Strozzi eine Ausstellung gewidmet, die als Meilenstein der Kunstgeschichte gelten darf. Nie zuvor hat es eine Übersicht über Bronzinos Werk gegeben. Die meisten Werke stammen aus den Uffizien, doch sind zahlreiche Leihgaben aus aller Welt gekommen, wenn auch nicht aus Berlin. Schon die Ausleihe aus den Uffizien war nur möglich, weil die Tribuna, der achteckige Hauptraum der Galerie, wo normalerweise Bronzinos Porträts versammelt sind, renoviert wird.

Für gewöhnlich wird der als Sohn eines Fleischers geborene Maler dem Manierismus zugerechnet, jener Übergangsphase zwischen Hochrenaissance und Barock, so wie der ungleich bekanntere Parmigianino. Die Ausstellungsmacher jedoch spielen diese Zuordnung herunter, um stattdessen auf die von Vasari gepriesene Naturtreue zu verweisen. Die Ausstellung stützt beides. Denn in den sorgsam modellierten Figuren der religiösen Gemälde und der Fresken wie der kalten, wie von Neonlampen erhellten Farbigkeit ist Bronzino Manierist, in der unglaublichen Exaktheit der Porträts hingegen ein Meister der Naturtreue. Gelernt hatte er bei Potormo, der sein lebenslanger väterlicher Freund blieb; seine große Zeit kam mit der Rückkehr der Medici nach Florenz 1530 und der Festigung des vom Medicipapst Clemens VII. errichteten Herzogtums in der noch immer republikanisch gesonnenen Stadt.

Man kann den harten, ja abweisenden Ausdruck der Bildnisse auf diese politische Situation beziehen. Cosimo I. ließ sich als unbeugsamer Kriegsherr porträtieren, und seine Taten ließen an seiner Gesinnung keinen Zweifel. Er inszeniert, zumal nach der Heirat mit der reichen Eleonora von Toledo, das höfische Leben als Zurschaustellung kalter Pracht. Genau so wirken Bronzinos Bilder. Zugleich rühren die Kinderbildnisse der Medici, weiß man um das Schicksal, das den Nachkommen beschieden war. Nur eines von ihnen lächelt: der kleine Giovanni, zwei Jahre alt. Er wurde 19. Und reizend ist das Hündchen auf dem Schoß einer melancholisch ins Leere blickenden Dame von 1532. Das ist der Naturalismus, den die Ausstellungsmacher, Carlo Falciani und Antonio Natali, so betonen.

Zwischen dem Vatikan und Kaiser Karl V. tobte unaufhörlicher Krieg – 1527 plünderten dessen Truppen Rom –, aber die eigentlichen Probleme waren ganz anderer Art. Die ungeheure Verschwendungssucht der Päpste hatte die Reformation zumindest mit angestoßen. Bald kursierten auch in Italien lutherisch gefärbte Schriften. In den intellektuellen Kreisen, in denen Bronzino, zugleich ein Dichter von Rang, verkehrte, wurden diese Bücher gelesen und heiß diskutiert.

Für den Humanisten Bartolomeo Pantiatichi, den er wie auch seine Frau Lucrezia Anfang der 1540er Jahre in atemberaubenden Bildnisse festhielt, malte er eine „Kreuzigung Christi“, ohne jede Begleitfigur, ohne Maria oder die Heiligen. Im Grunde ist es keine historia mehr, keine biblische Erzählung, sondern ein Bekenntnisbild von monumentaler Stille: ein Bekenntnis im lutherischen Sinne, zu Christus als dem alleinigen Erlöser. Es wird hier erstmals als Werk Bronzinos vorgestellt. Die Zuschreibungsproblematik ist gerade bei diesem Maler erheblich, und wohl nicht alle Neuzuschreibungen werden Bestand haben.

Die reformatorische Atmosphäre im Hause Panciatichi brachte das Ehepaar vor die Inquisition, vor der es Cosimo rettete – er brauchte den in Lyon geborenen Weltmann als Botschafter in Frankreich. Neben diesen politisch-theologischen Komplikationen gab es im Florenz der Mitte des 16. Jahrhunderts eine reiche intellektuelle Szene. Künstler sandten sich gegenseitig Sonette, und Bronzino konnte dichten, auch in deftiger Alltagssprache. Es gab eine Akademie, und es gab den paragone, den von Benedetto Varchi angeregten Streit um den Vorrang von Malerei oder Skulptur. „Welches ist die edlere Kunst“, hatte Varchi die berühmtesten Künstler seiner Zeit gefragt und das Buch mit den Antworten 1549 veröffentlicht. Bronzino lobte merkwürdigerweise die Skulptur. Doch zugleich malte er auf die beiden Seiten einer Leinwand das Bildnis des Hofzwerges Morgante, einmal vor und einmal nach der Vogeljagd: Solche Darstellung des Zeitverlaufs ist der Skulptur unmöglich. Ob das eigenartige Gemälde tatsächlich eine Stellungnahme zu Varchis Wettstreit ist, kann indessen nur spekuliert werden.

Bei weitem nicht alle Werke Bronzinos können in einer Ausstellung gezeigt werden. Die Ausmalung der Privatkapelle von Eleonora di Toledo im Palazzo Vecchio, ein Meisterwerk „großer“ Malerei auf kleinstem Raum, muss an Ort und Stelle besichtigt werden. So auch die großen Kirchenfresken. Das späte „Martyrium des Hl. Laurenz“ in der gleichnamigen, riesigen Kirche, 1569 vollendet, ist dann ein typisch manieristisches Werk: eine Ansammlung von Figuren in akrobatischen Drehungen ohne Zusammenhang, und in der Mitte ein Märtyrer auf dem Feuerrost, als wäre es sein Ruhelager. Das Klima hatte sich gewandelt, katholische Dogmatik war mit der Gegenreformation auch in Florenz eingezogen.

Bronzinos Meisterschaft hat diese geistige Verengung nicht gutgetan. Vasari löste ihn als Hofkünstler ab – und erbaute für Cosimo als Behördensitz die Uffizien, die den Großteil der Werke des nur acht Jahre älteren Malers bergen. So schließt sich der Kreis. Mit der Bronzino-Ausstellung tritt das Florenz Cosimos I. machtvoll wie nie zuvor in den Blick.

Florenz, Palazzo Strozzi, bis 23. Januar. Katalog, italienisch oder englisch, im Verlag Mandragora, 360 S., 35 €.

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