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Ausstellung: Ken und seine Brüder

Viril, lässig, metrosexuell: die Hamburger Ausstellung „Traummänner“ zeigt, wie Starfotografen das Ideal des Mannes interpretieren. Präsentiert wird ein Kosmos an unterschiedlichsten Typen.

Barbies Begleiter Ken hat zurückgekämmtes Haar, den Hauch von einem Lächeln im Gesicht, einen Waschbrettbauch und ein bisschen die Anmutung von Deutschlands kürzlich entschwundenem Politstar KTG. Die Spielzeugfirma Mattel stellt ihren Plastikhelden in eine Reihe mit George Clooney, Tom Ford, Barack Obama und anderen Prominenten des Jahrgangs 1961. Sieht so der Mann aus, den sich Frauen an ihre Seite wünschen? Orientierungshilfe bietet nun die Ausstellung „Traummänner“ im Haus der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen, das Pendant zum Publikumshit „Traumfrauen“ von 2008.

Auf rund 150 Bildern zeigen 50 internationale Starfotografen aus Mode und Werbung, ein Drittel davon Frauen, ihre Traummänner. Peter Lindbergh, Martin Schoeller, Rankin, Thomas Hoeffgen, Ellen von Unwerth und andere haben das Bild des Mannes in der medialen Welt kräftig mitgestaltet. Die Wünsche ihrer Auftraggeber konnten sie diesmal ignorieren; für die Ausstellung schickten sie ihre ganz speziellen Favoriten ein.

Ob der Mann des 21. Jahrhunderts auf diesen Bildern neu erschaffen oder nur dem Zeitgeist entsprechend ins Rampenlicht geschoben wird, lässt sich schwer ausmachen. Beim Rundgang wird schnell klar, dass es den Ideal-Mann von heute natürlich nicht gibt. Präsentiert wird ein Kosmos unterschiedlichster Typen; den virtuellen cat walk absolvieren vor allem Schauspieler, darunter viele Kino-Ikonen, „dreimal Vincent Cassel, je zweimal George Clooney, Brad Pitt, Jonathan Rhys Meyers, Viggo Mortensen, Matt Dillon und John Malkovich“, so die Kuratorin Nadine Barth. Tom Cruise hängt mit blank rasierter Brust an einer Sprossenwand. Models, Musiker, Künstler und Sportler sind versammelt, ein paar Politiker und Schriftsteller, Freunde der Fotografen, Businessleute, eine Serie von Fremdenlegionären – und ein paar ganz normale Männer.

Die Herren wirken mal stark, mal schwach, viril oder androgyn, sanft oder sexy, verspielt, lässig oder bestechend elegant. Metrosexueller Appeal begleitet nicht nur David Beckham; vieles geht bunt durcheinander, traditionelle Männerbilder haben offenbar an Orientierungskraft verloren. Der Dortmunder Soziologe Michael Meuser attestiert seinen Geschlechtsgenossen im Katalog denn auch wachsende Wahlfreiheit in Sachen Maskulinität. Die Veränderungen der männlichen Performance registrieren männliche wie weibliche Fotografen dabei gleichermaßen. Ein geschlechtsspezifischer Unterschied bei der Perspektive? Fehlanzeige. Und Ellen von Unwerth registriert bei Vincent Cassel, dem 44-jährigen Star aus „Black Swan“, Softes und Zupackendes zugleich, wenn sie ihn als sensiblen Womanizer mit Raubtierblick abbildet.

„Erotik heute darf sich spielerisch, zärtlich, lustvoll, kreativ, aber auch witzig präsentieren, und man muss sich dafür nicht einmal ausziehen“, sagt Ausstellungsmacherin Barth. Nackte Mannsbilder gibt es trotzdem zu sehen – von Nathaniel Goldbergs bärtigem Meeresgott in der Brandung über Satoshi Saikusas ganzkörpertätowierte Landsleute bis zu Nadav Kanders rabenschwarzen „Male genitals“. Den vollkommensten Körper präsentiert wohl Paola Kudackis nackter Alex, und die größte Männerauswahl findet sich auf Sascha Weidners Breitwandpanorama mit einem Massenaufmarsch von Beachboys unter Palmen.

Für viele Fotografen scheinen die Älteren am interessantesten zu sein. Sie haben etwa Robert Mitchum, Ben Kingsley, Jeff Bridges oder Al Pacino mit der Kamera porträtiert, den alternden Jazzer Chet Baker, die Künstler Cy Twombly und Julian Schnabel und, besonders schön, den Schriftsteller Samuel Beckett auf einem riesigen, zerfledderten Straßenplakat. Machen vor allem Kreativität und Lebenserfahrung, Erfolg und Können Männer unwiderstehlich? Als männlich gilt heute, wer Charakter und Charisma hat, sagt Nadine Barth. Die Hamburger Schau zeigt: Auch in Zeiten der globalisierten Bilderwelt sind Märchenprinzen eine höchst individuelle Angelegenheit.

Bis 22. Mai. Katalog 49,90 €. Informationen: www.deichtorhallen.de

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