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Ernst Schneider: Mantel von Mästhle, Berlin, 1916. Silbergelatine Vintage Print.

© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek

Ausstellung „Krieg und Kleider“ in Berlin: Wie der Erste Weltkrieg die Mode prägte

Als die Abendgarderobe verboten wurde: Die Berliner Kunstbibliothek zeigt in der Ausstellung „Krieg und Kleider“, wie der Erste Weltkrieg die Mode prägte.

Kurzhaarfrisuren, Seidenstoffe, Mantelkleider – während des Ersten Weltkriegs sollte Mode nicht nur schlicht und praktisch, sondern möglichst auch patriotisch sein. Zwischen 1914 und 1918 galt sie „als nationale Aufgabe“. Von Frauen wurde erwartet, mit ihren Kleidern die Stimmung zu heben, die Textilindustrie zu stützen und Solidarität mit den Männern auf dem Feld zu demonstrieren. Die Ausstellung „Krieg und Kleider“ in der Berliner Kunstbibliothek beleuchtet mit Hilfe der Modegrafik das wechselhafte Verhältnis zwischen Propaganda und Trend. Am Ende blieb die Mode grenzüberschreitend vom Krieg geprägt.

In Deutschland hetzte die Presse gegen die Pariser Haute Couture. In einer bissigen Zeichnung verspottet Karl Arnold im „Simplicissimus“ dieses übersteigerte Selbstwertgefühl seiner Landsleute. Da nimmt sich die personifizierte französische Mode den Strick, weil ihr die deutsche Kundschaft fehlt. In Paris war man von einem kurzen Krieg ausgegangen. Die Theater und Opernhäuser schlossen für eine Saison. Als sie wieder öffneten, war dem Publikum Abendgarderobe verboten, die Zuschauerinnen erschienen in Straßenkleidung.

Schwarz als Modefarbe für jede Gelegenheit

Die Gelegenheiten für Kleider änderten sich. Eine bizarre Serie aus dem Pariser Album „Modes et Manières d’Aujourd’hui“ stellt die korrekte Damengarderobe in verschiedenen Situationen des Krieges vor. Da erscheint die Frau in Schwesterntracht am Bett eines Verwundeten, mit Pelzkragen und Muff auf dem Weg in den Luftschutzkeller und als Witwe auf dem Friedhof. In Deutschland diskutierten die Modemagazine ernsthaft, ob Kriegswitwen auch in der Öffentlichkeit Schwarz tragen dürften oder ob die Farbe nicht im Kontrast zu der „Begeisterung in der Bevölkerung“ stünde. Die Modehäuser boten in Anzeigen und Katalogen Witwenkleider an, mit Hut und Schleier. Das amerikanische Geschäft Blackshire spezialisierte sich ganz auf schwarze Stoffe. Geschickt bewarb das House of Black, wie sich das Unternehmen selbst nannte, Schwarz als Modefarbe für jede Gelegenheit.

Berlin mit seinen 260 Konfektionsschneidern und zwei Dutzend Maßateliers glaubte sich zwar von Paris unabhängig. Dennoch registrierten die Modehäuser hellhörig jeden neuen Trend. Der Pariser Modemacher Paul Poiret etwa nahm Anregungen aus den Ballets Russes in seine Entwürfe auf. Er schuf exotisch wirkende orientalische Silhouetten, Empiretaillen, Pluderhosen und die Lampenschirmtunika, eine Art Reifrock, der auf Hüfthöhe endete. In Deutschland stellte die Kriegskrinoline das Pendant zur Lampenschirmtunika dar.

Sie verband das Patriotische mit dem Pragmatischen. Der Rocksaum endete auf Wadenhöhe, auf diese Weise ließ sich Material sparen. Die weiten Reifröcke bauschten sich aber so pludrig, dass ihre Trägerinnen behaupten konnten, die Textilindustrie zu unterstützen. Weil die Frauen zu Fuß gingen und arbeiteten, mussten die Kleider Bewegungsfreiheit erlauben. Für den Spaziergang wurden Trotteur- oder Promenadenkostüme entworfen, die auch eiliges Gehen erlaubten.

Mannequins in Trauerkleidern posieren für die Kamera von Wilhelm Willinger.
Mannequins in Trauerkleidern posieren für die Kamera von Wilhelm Willinger.

© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek

Neue Farbfindung: "Bombenbraun" und "Feldgrau"

Während die neue Farberfindung „Bombenbraun“ schon nach dem ersten Winter wieder verschwand, blieb „Feldgrau“ während des ganzen Krieges von hohem Symbolwert. Beim deutschen Militär hatte sich Tarngrau erst seit 1907 durchgesetzt, zuvor trugen die Armeen farbenprächtige Uniformen. Im Ersten Weltkrieg wurde den Frauen dann Feldgrau als „Huldigung an ihre Männer“ empfohlen. Wollstoff blieb den Soldaten vorbehalten. „Tragt Samt und Seide“, lautete die Botschaft an die Zivilistinnen.

Rohstoffe waren knapp, es musste gespart werden. Neben Bast- oder Wildseide experimentierten die Couturiers mit Jersey- und Kunststoffen als Material sowie mit dem sogenannten „Papiergespinst“. Eine Zeichnung von Thomas Theodor Heine für den „Simplicissimus“ zeigt, wie eine Familie fröhlich zum Sonntagsspaziergang aufbricht. Nach dem ersten Regenschauer kehren Vater, Mutter, Kinder nackt nach Hause zurück. Ihre Papierkleider hatten sich aufgelöst.

Zwei Grafikerinnen waren es, die der Mode des Ersten Weltkriegs trotz aller Not eine Aura von Avantgarde verliehen. Auf Karten, die Mela Köhler für die Wiener Werkstätten fertigte, sind die fließenden Silhouetten noch vom Jugendstil geprägt, aber schon leise sachlich begradigt. Auffällig ist der Elan der gezeichneten Frauen, der frische Wind, der sie treibt. Eine Spur von Freiheit.

Erstaunlich elanvolle Entwurfsskizzen von Annie Offterdinger für das Modehaus Alfred-Marie.
Erstaunlich elanvolle Entwurfsskizzen von Annie Offterdinger für das Modehaus Alfred-Marie.

© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek

Die Mode findet ihren Weg

In Berlin erfindet die junge Grafikerin Annie Offterdinger kubistisch-urbane Kulissen, um die Entwürfe des Modehauses Alfred-Marie in Szene zu setzen. Der Designpionier Otto Haas-Heye hatte das Geschäft1914 als Signal gegen den Krieg gegründet. Kleine Hüte, lange Schößchen über weiten Röcken, grafische Muster – Haas-Heye wollte eine Brücke schlagen zur Vorkriegszeit und ließ sich dabei vom Pariser Modemacher Paul Poiret leiten. 1917 befand die Zeitschrift „Elegante Welt“: „Während die Völker aufeinander losschlugen, fand die Mode den Weg über die waffenstarrenden Grenzen.“

Kunstbibliothek, bis 18. Januar. Di–Fr 10 bis 18 Uhr, Sa/So 11 bis 18 Uhr. kein Katalog.

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