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Susanne_Schickl

© Oliver Wolff

Ausstellung: Liebeskummer lohnt sich

Ringe, Briefe und ein Hochzeitskleid: Das „Museum der gebrochenen Beziehungen“ macht aus Trennungsschmerz Kunst. Viele kleine, schöne und traurige Geschichten verbergen sich hinter den Exponaten.

Seit Jahren fragt sich Susanne Schickl was sie mit ihrem Hochzeitskleid machen soll. Es ist übrig geblieben. Ein weißes Kleid im Schrank ist keine Lösung. Eines Tages holt die 36-Jährige das Stück heraus, schreibt die Geschichte ihrer ersten großen Liebe auf und wie diese Liebe zerbrach. Jetzt steht das Hochzeitskleid auf einer Schaufensterpuppe im Kunsthaus Tacheles neben 200 anderen Exponaten des „Museums der gebrochenen Beziehungen“, jeweils mit kurzen Beschreibungen versehen, wie etwas, das einmal hoffnungsvoll als Zweisamkeit begann, in Einsamkeit überging.

„Ich mochte die Idee, dass man etwas weggeben kann, das traurige Erinnerungen weckt“, erzählt die Berlinerin über die Initiative zweier Künstler, denen sie ihr Kleid anvertraut hat. Endlich fand sich eine sinnvolle Verwendung für die Hochzeits-Devotionalie, denn einfach wegschmeißen oder auf dem Flohmarkt weggeben wollte sie das Erinnerungsstück nicht. Jetzt teilt es die Erinnerung an den „glücklichsten Tag“ in ihrem Leben mit anderen Liebestragödien. Über 200 Trennungs-Exponate sind in der Ausstellung versammelt: Verlobungsringe, Liebesbriefe, eine Vespa, Gallensteine, Inline-Skates oder das Holzbein eines Balkankriegsveterans, der sich im Feldlazarett in eine Krankenschwester verliebte. „Erstklassiges Material“, schreibt der Spender zur Erläuterung. „Die Prothese hielt länger als unsere Beziehung.“

Das könnte Susanne Schickl auch behaupten. 1994 heiratete die Deutsch-Griechin einen Japaner, die kirchliche Hochzeit fand in Griechenland statt. Dort stürzten sich die Medien auf die „Dreiländer-Hochzeit“, ein Wochenmagazin brachte das Paar sogar auf die Titelseite. Das Magazin hängt im Tacheles neben dem Hochzeitskleid. Für die Medien waren sie ein Traumpaar. Doch nach vier Jahren Ehe in Japan wurde deutlich, dass sie getrennte Wege gehen müssen. Der Mann wollte Kinder und eine Frau, die zuhause bleibt. Susanne Schickl wollte in Deutschland ihr Fremdsprachenstudium abschließen, ihre eigenen Ziele waren ihr wichtiger. So siegte der „europäische Individualismus über japanische Tradition“, wie Susanna Schickl heute weiß.

Die Verschiedenheit der Kulturen soll auch in der Ausstellung zur Geltung kommen. „Jede Mentalität gibt der Ausstellung eine neue Dimension“, erklärt Olinka Vištica. Die Kroatin entwickelte die Idee mit ihrem Ex-Freund Dražen Grubišic. So wurde die Ausstellung für das Künstlerpaar zugleich auch zur Therapie. Aber es geht nicht nur darum, „Liebeskummer“ vorzuführen, sondern um den Kunstbegriff an sich. Die Kroatin findet nicht, dass sich Kunst nur auf sich selbst beziehen sollte, und dass „Kunst nicht nur für Künstler und Reiche da ist. Unsere Kunst spiegelt das Leben wieder“, erklärt sie ihre objets trouvés. Es gebe für alles ein Museum, nur das für menschliche Emotionen nicht. Das „Museum der gebrochenen Beziehungen“ stößt in diese Lücke. Neben Susanne Schickl haben etliche Berliner ihre Trennungsobjekte ins Tacheles gebracht. Darunter ein Stoff-Tiger, ein Fax und eine Axt, mit der eine wütende Berlinerin die Möbel der Exfreundin zerhackte, nachdem diese sie verlassen und ihre Möbel erst mal bei ihr stehen gelassen hatte. Die Berlinerin betont allerdings, dass es nur eine Leihgabe sei, die Axt könne sie vielleicht noch mal gebrauchen. Während der Ausstellung sollen noch mehr Gegenstände hinzu kommen.

Die Besucher sind eingeladen ihre eigenen Erinnerungsstücke mitzubringen. Die Künstler hoffen, dass hier der Sonderfall einer ehemals geteilten Stadt seinen Niederschlag finden wird. Olinka Vištica glaubt, dass Trennungsschmerz ein starker schöpferischer Antrieb ist: „Plötzlich werden Leute kreativ. Manche schreiben, obwohl sie noch nie zuvor geschrieben haben. Allein dieses emotionale Erlebnis macht das möglich.“

Auch für Susanne Schickl ist die Ausstellung mehr als nur eine Gelegenheit, ihren emotionalen Ballast abzugeben. „Es ist ja schon Kunst, die abstrakten Gefühle als Gegenstand zu zeigen.“ Eine Art positive Entfremdung geht damit einher. Das, was einem eben noch am nächsten war, wird symbolisch der Allgemeinheit überlassen. Schickl ist überzeugt, dass sich in den persönlichen Erfahrungen auch der Zeitgeist ausdrückt. „Meine Geschichte hätte es vor dreißig Jahren so vielleicht nicht gegeben. Diese alltäglichen Erlebnisse haben großen Einfluss auf die Gesellschaft.“ Das Hochzeitskleid zeugt von der ersten großen Liebe, die pompös gefeiert wurde. Beim nächsten Mal würde sie nicht mehr so viel Aufwand für die Eheschließung betreiben, sie ist vorsichtiger geworden, erzählt sie. Zu ihrem Ex-Mann hält sie keinen Kontakt, nur die japanischen Ex-Schwiegereltern betrachten sie noch immer als ihre „Tochter aus Deutschland“.

Wenn die Ausstellung in zwei Jahren, wie geplant, nach Tokio reist, wird Susanne Schickl ihren Ex-Mann ins „Museum der gebrochenen Beziehungen“ schicken. „Damit er es bei der Nächsten besser macht.“ Die Ausstellung ist eben doch Kunst und Therapie zugleich.

Die Ausstellung „Museum der gebrochenen Beziehungen“ ist noch bis zum 27. November täglich bis 20 Uhr im Kunsthaus Tacheles, im Blauen Salon, zu sehen.

River Tucker

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